Gute Pflege braucht Nähe und Distanz zugleich

Foto: pixelio.de/Altmann

Umdenken in Altenbetreuung: Selbstschutz allein zu wenig.

Menschen in Pflegeberufen können Patienten und ihren Bedürfnissen durchaus nahe sein und Empathie entgegenbringen, ohne dass sie dabei den Selbstschutz ihrer professionellen Distanz aufgeben. Die erste Untersuchung des Konzepts „Detached Concern“, das diesen Drahtseilakt zwischen Nähe und Distanz in der Arbeit beschreibt, gelang der Ulmer Arbeitspsychologin Bettina Lampert. „Erst allmählich wird bewusst, dass Empathie in der Arbeit nicht per se krank macht. Vielmehr ist sie für die Pflege notwendig und ein wertvolles Arbeitsmittel, ohne dass man dabei auf die eigene psychische Abgrenzung vergessen darf“, so die Expertin im Gespräch.

Job mit hohen Anforderungen

Die Herausforderungen an Pflegende sind sehr hoch, berichtet Lampert. „Pflege ist eine starke emotionale und auch körperliche Belastung, die durch erschwerte Arbeitsbedingungen wie Zeitdruck noch verschlimmert werden. Das Bild schwerst pflegebedürftiger, dementer oder sterbender Patienten prägen den harten Pflegealltag. Pflegende bauen eine Beziehung zu ihren Patienten auf und leiden vielfach mit ihnen mit. Einerseits stellen sie oft an sich selbst sehr hohe berufliche Anforderungen im Umgang mit Patienten, andererseits hat die Arbeit in der Pflege hohe berufliche und gesellschaftliche Erwartungen, die durch Fachkräftemangel, Arbeitszeiten mit Nacht- und Wochenenddiensten, schlechte Bezahlung und einem unattraktiven Berufsimage erschwert werden.“

Herz zeigen ohne Mitsterben

Schulungen für Pflegende im Umgang mit Patienten konzentrieren sich bisher überwiegend auf das Erlernen von Distanz, um emotionalen Belastungen entgegen zu wirken. Das geht nicht nur auf Kosten der Empathie, sondern auch der Arbeitserfüllung, berichtet Lampert. „Studien mit Pflegekräften und Ärzten zeigen, dass ein Gleichgewicht zwischen Nähe und Distanz zum Patienten viel zielführender ist. Das psychische Wohlbefinden und der Gesundheitszustand sind nachweislich besser, vergleicht man das Ergebnis entweder mit jenen, die sich empathisch grenzenlos den Patienten widmen und dabei oft emotional ausbrennen, oder mit denen, die nur Distanz wahren und dabei den Sinn ihrer Arbeit verlieren.“

Die Idee des Detached Concern – im Deutschen auch als „distanzierte Anteilnahme“ bezeichnet – ist nicht neu. Bisher wurde die Bedeutung des Konzepts in der Burnout-Prävention beschrieben, systematisch jedoch nie untersucht. Die Umsetzung dürfte freilich vielen Pflegenden auch bisher gut gelungen sein, verdeutlicht Lampert mit dem Zitat einer älteren, im Pflegedienst tätigen Ordensschwester: „Sie formulierte, man müsse mit dem Herz an der Hand arbeiten, ohne gleichzeitig mit dem Patienten mitzusterben.“ Ein gelingendes Detached Concern dient dem Erhalt der psychischen Gesundheit, bedarf jedoch längerer Arbeitserfahrung und einem gezielten Umgang damit.

Empathie braucht Zeit

Die Arbeitssituation in der Pflege ist höchst verschärft, wozu die vielen nicht-pflegerischen Aufgaben etwa in der Organisation und Bürokratie erheblich beitragen. Der Zeitdruck lässt die Pflege zum Abarbeiten wie am Fließband verkommen. „Empathie braucht Zeit. Wer professionell vorgeht, sich psychisch abgrenzen kann und den Patienten trotzdem als Menschen einfühlsam wahrnimmt und versteht, erfährt mehr Befriedigung in seiner Arbeit, die Zusammenarbeit mit Patienten kann wesentlich erleichtert werden und reibungsloser verlaufen. Damit gelingt auch die Versorgungsqualität der Patienten deutlich besser“, so die Expertin.

pte

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6 Kommentare

  1. Wir wollen 24 Stunden Pflege für meine Oma anstellen und diesen Beitrag finde ich sehr informativ. Gut zu wissen, dass eine Distanz zwischen Pflegepersonal und Pflegebedürftige in diesem Fall sehr wichtig ist. Ich stimme den Autor zu, dass distanzierte Anteilnahme gerade dass, was eine Balance anbieten kann, ist.

  2. Da meine Oma gerne mehr zum Thema Tipps zur Pflege älterer Menschen wissen wollte und sie den PC nicht bedienen kann, bin ich echt froh, dass ich diesen Artikel gefunden habe. Die Informationen werden meine Oma interessieren. Jetzt wo ich das alles lese, bin ich auch interessiert.

  3. Die Altenbetreuung ist ja ein schwieriges Them meiner Meinung nach. Es tut uns Menschen schwer, wenn unsere Lieben älter werden nicht so fähig sind wie früher. Wir wollen eine persönliche Assistenz für meine Oma finden, die jetzt über 80 ist.

  4. Vielen Dank für den tollen Beitrag zur guten Pflege. Mein Neffe macht eine Ausbildung in der Krankenpflege und wird sich bestimmt für diesen Artikel interessieren.

  5. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass der Alltag für Pflegekräfte hart ist. Ich habe meinen Opa nun ein paar Jahre gepflegt, suche nun aber eine Seniorenwohnung für Ihn. Vielen Dank für den Ratschlag, dass auch Distanz wichtig sein kann.

  6. Guten Tag und vielen Dank für die tolle Zusammenfassung.
    Tatsächlich bin in der Vergangenheit des öfter im Umkreis meiner Familie bei gewissen Pflege aufgaben eingesprungen und mir wurde zugetragen, dass mir das wohl sehr gut liegt. Emphatisch bin ich immer ganz bei den Älteren. Ich finde diese Aufgabe zunehmend immer wichtiger und ich will mich beruflich daran orientieren um zu wachsen.

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