Wenn die eigenen Eltern pflegebedürftig werden!
Wie lässt sich häusliche Pflege ermöglichen? Wenn die eigenen Eltern pflegebedürftig werden, stellt sich für viele Kinder die Frage, ob sie ihre Angehörigen zuhause pflegen möchten – und vor allem können. Dabei gilt es, viele Faktoren zu beachten: Neben der Eignung der eigenen vier Wände für das altersgerechte Wohnen sollten sich Angehörige fragen, ob sie psychisch in der Lage sind, diese besondere Herausforderung auf sich zu nehmen. Birger Mählmann, Pflegeexperte der IDEAL Versicherung, unterstützt bei der Entscheidungsfindung.
Nicht nur aufgrund des Alters oder gewisser Krankheiten, auch durch einen Unfall kann man schneller pflegebedürftig werden als gedacht. Ein solcher Schicksalsschlag allein ist für die meisten Menschen schon schwer genug. Um dann nicht auch noch aus der gewohnten Umgebung gerissen zu werden, wünschen sich viele eine häusliche Pflege. Laut dem Bundesministerium für Gesundheit werden rund 76 Prozent der Pflegebedürftigen im eigenen Haushalt gepflegt.
Einem geliebten Menschen die Möglichkeit zu geben, zu Hause und von Angehörigen gepflegt zu werden, ist bewundernswert. Denn für beide – den Pflegebedürftigen und den Angehörigen – ändert sich damit der Alltag fundamental. Umso wichtiger ist es, dass sich beispielsweise Kinder, die ihre Eltern zu Hause pflegen möchten, vorab genau und realistisch überlegen, ob sie der Aufgabe gewachsen sind. Das schützt alle Beteiligten davor, dass aus einem gut gemeinten Vorhaben eine Belastung für den Familienfrieden wird.
Voraussetzungen für häusliche Pflege
Vor der Entscheidung, einen Angehörigen zu Hause zu pflegen, steht also das Abwägen zahlreicher Faktoren. „Diese betreffen unterschiedlichste Aspekte, etwa die räumlichen Voraussetzungen sowie finanzielle Gesichtspunkte. Aber auch der Umfang der Pflegeleistungen, der zeitliche Aufwand und die persönliche Situation des pflegenden Angehörigen spielen eine Rolle“, zählt Birger Mählmann auf. Pflegebedürftige Personen haben außerdem Anspruch auf Leistungen der Pflegeversicherung. Bei häuslicher Pflege zahlt sie je nach Pflegegrad einen Pauschalbetrag. Zusätzlich können Zuschüsse für Pflegehilfsmittel oder Maßnahmen zur Verbesserung der Wohnsituation, wie zum Beispiel ein barrierefreier Umbau des Badezimmers oder der Einbau von Treppenliften, bei der Pflegekasse beantragt werden. Aber auch andere Förderangebote bieten finanzielle Unterstützung, beispielsweise von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW).
Psychische Belastung für die Angehörigen
Ein entscheidender Faktor bei der Überlegung, Angehörige daheim zu pflegen, sind die Auswirkungen auf die Psyche des Pflegenden. Denn vor allem bei schweren Pflegefällen nimmt die Pflege viel Zeit in Anspruch, wodurch sich der Alltag grundlegend ändert – die Auswirkungen werden häufig unterschätzt. Der Pflegeexperte weiß, auf welche Warnsignale pflegende Angehörige achten sollten, um nicht selbst zu erkranken:
- Klagen die pflegenden Personen plötzlich häufig über körperliche Beschwerden wie Muskelverspannung, ist das oft ein deutliches Anzeichen für eine Überforderung.
- Auch auffällige Aggressivität oder Gereiztheit können symptomatisch für eine zu hohe Belastung sein.
- Des Weiteren sind Müdigkeit, Erschöpfung und Schlafprobleme nicht selten Anzeichen für eine psychische oder chronisch-körperliche Erkrankung durch Überlastung.
Wer mindestens eines dieser Symptome bei sich bemerkt, sollte in jedem Fall kürzer treten und über Alternativen nachdenken. Dies kann beispielsweise ein Pflegedienst oder auch ein Pflegeheim sein.
Kriterien für die Entscheidung
Auch wenn diese Entscheidung individuell ist und sich sehr an den persönlichen Wünschen und Bedürfnissen der Betroffenen orientiert, gibt es einige Kriterien, die bei der Entscheidung helfen. Birger Mählmann nennt die wichtigsten Punkte:
- Wer einen ambulanten Pflegedienst engagiert, holt sich damit professionelle und ausgebildete Pflegekräfte ins Haus. Sie können die benötigten Pflegemaßnahmen besser einschätzen und sind zudem routiniert in der Ausführung. Allerdings gibt es auch in dieser Branche immer wieder schwarze Schafe. Daher sollten Angehörige bei der Wahl des richtigen Pflegedienstes sehr gründlich vorgehen, sich vorab gut informieren, Bewertungen lesen oder Erfahrungsberichte einholen.
- Wird ein ambulanter Pflegedienst eingebunden, verrechnet die Pflegekasse die Kosten durch die Zahlung einer sogenannten „Pflegesachleistung“ direkt mit dem Pflegedienst. Pflegegeld und Pflegesachleistung können aber auch miteinander kombiniert werden.
- Viele Pflegebedürftige scheuen sich, Pflege von nahestehenden Personen anzunehmen. Intime Situationen können für Betroffene schnell unangenehm werden. Professionelle Pfleger haben dagegen keinen persönlichen Bezug zu den Pflegebedürftigen und sind zudem für derartige Situationen geschult. Anderen Betroffenen wiederum fällt es schwer, Hilfe von fremden Personen anzunehmen, da ihnen das Vertrauen fehlt. Um die persönlichen Präferenzen herauszufinden, sollten Angehörige ausführliche Gespräche mit der pflegebedürftigen Person führen.
- Auch die Kosten sollten bei der Entscheidung nicht ganz außer Acht gelassen werden: Meist sind die Kosten für Pflegedienste höher als die bei einer privaten Pflege.
Doch Angehörige sind bei ihrer Entscheidung nicht auf sich allein gestellt: So unterstützt der Verband Pflegehilfe auf www.pflegehilfe.org mit zahlreichen Beratungsangeboten. Ein weiterer wichtiger Ansprechpartner ist die Pflegeversicherung selbst. Eine anbieterunabhängige Übersicht zu den Leistungen der Pflegeversicherungen bietet das Bundesgesundheitsministerium auf seiner Website. Von dort führt auch ein Link auf den digitalen Pflegeleistungs-Helfer des Ministeriums. Sind die Anforderungen an die häusliche Pflege bekannt, erhalten Angehörige eine vorläufige Übersicht über die Leistungen, die ihren Anforderungen entsprechen und in Anspruch genommen werden können.
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