Tunesien rüstet für einen nachhaltigen Tourismus und entdeckt alte Kulturschätze und Berberkulturen.
Wie schon in unserem Interview mit dem tunesischen Tourismusminister Mohamed Moez Belhassine nachzulesen ist, will das offizielle Tunesien weg vom Massentourismus, hin zu einem nachhaltigen Tourismus und dabei authentische Landschaften, traditionelle Berberkulturen und private, kleine Tourismus- und Beherbergungsprojekte fördern. Dies könnte durchaus gelingen, denn die Dahar-Region hat einiges an verborgenen Schätzen, die es gilt zu entdecken und touristisch zu erschließen. Wir haben daher die Einladung angenommen und uns auf eine Entdeckungstour begeben. Begleiten Sie uns dabei!
Zum Zweck einer bestmöglichen Vermarktung wurde sogar eine eigene „Destination Management Organisation“ (DMO) im Jahr 2018 etabliert mit Sitz in Medenine in Tunesien. Im Jahr 2021 wurde die Dahar-Region sogar für Ihre nachhalte touristische Erschließung mit einem Preis als „Green Destination“ ausgezeichnet.
Die am meisten authentische Region in Tunesien
Wo liegt die Dahar-Region? Sehen sie sich hier links die Karte an. Jebel Dahar, – wie sie von den Einheimischen genannt wird – es ist als „Matmata-Gebirge“ bekannt, wurde ursprünglich von nomadischen Berbern bewohnt. Es ist auch heute noch eine Region, die stark von den Berbertraditionen lebt, obwohl sich die Bevölkerung in Kontakt mit den vielen Zivilisationen, weitgehend gemischt hat. Der höchste Punkt von Jebel Dahar ist Kef Ensoura mit einer Höhe von 713 Metern.
Schauen Sie sich zuerst unser kurzes Video an, um einen Eindruck zu bekommen, was Sie auf unserer Tour erwartet.
Diese Bergregion diente bis Mitte des 20. Jahrhunderts einer halbnomadischen und weitgehend souveränen Bevölkerung als Lebensraum und Zufluchtsort, die dank fruchtbarer Handels- und Kulturbeziehungen überlebte. Die Bevölkerung von Dahar hat enge Beziehungen zu den vielen Völkern unterhalten, die seit der Antike den Süden des heutigen Tunesiens durchzogen: Punier, Römer, Byzantiner, Beduinen, Araber, Franzosen, mit denen sie sich weitgehend vermischt haben. Die Bevölkerung von Dahar ist sehr von der Kultur südlich der Sahara durchdrungen, die sie durch den Handel mit großen Karawanen, die bis vor kurzem die Sahara kreuzten, übernommen haben. Die ersten menschlichen Spuren in Jebel Dahar stammen aus der Altsteinzeit. Die bekannte Geschichte der Region beginnt mit der Berberschrift in sogenannten „libyschen“ Schriftzeichen, die nach Quellen aus dem 3. oder 5. Jahrhundert v. Chr. datiert werden.
Nomadentum wurde sesshaft
Zwischen dem dritten und dem siebten Jahrhundert, siedelten sich Berberfamilien an und blieben von nun an sesshaft. Diese sesshaften Familienmitglieder sorgten für eine gewisse Sicherheit, indem sie Wertgegenstände wie Lebensmittel oder andere konsumierbare oder austauschbare Produkte der nomadischen Familienmitglieder aufbewahrten: Salz, Datteln, Getreide, Oliven, Gold, Eisen usw.
Die „ksour“, eine Art Kornspeicherdörfer, die eine der wichtigsten Besonderheiten der Region darstellen, früher auf den Gipfeln von Bergreliefs gelegen, ermöglichten die sichere Lagerung dieser Waren, während sie aufgrund ihrer Lage die Handelsrouten kontrollierten. Die Geschichte der Bergregion Dahar untrennbar mit dem Wasser verbunden.
Im Gegensatz zu den benachbarten Ebenen, die aufgrund der Tiefe des Grundwasserspiegels nicht sehr bewohnbar sind, weil sie aufgrund der Tiefe des Grundwassers besonders trocken sind, ermöglichen die steilen Bereiche der Dahar das Sammeln von schrägem Wasser, was durch die Entwicklungen namens „jessours“ erst möglich wurde.
Ausgangspunkt für unsere Entdeckungstour war die Insel Djerba
Wann immer Sie Lust auf das Dahargebirge und einen Ausflug in die Sahara Wüste haben, empfiehlt es sich eine Tour bei einem lokalen Anbieter vor Ort zu buchen, oder im Wiener Tourismusbüro von Tunesien sich eine Tour zusammenstellen zu lassen. Natürlich können Sie von Djerba bis Tamrezet auch mit einem Leihauto erkunden, weiter in die Sahara empfiehlt es sich auf einen erfahrenen Berber-Guide mit seinem Land Cruiser Geländewagen zu setzen. Anfangs fährt man noch zwischen tausenden von Olivenhainen, doch bald wird das Landschaftsbild steiniger bevor man die erste Stadt Medenine mit ihren 71.000 Einwohnern erreicht. Hier ist auch der Sitz der DMO in 4, rue Pasteur, 4100 Medenine Tunesien, die Ihnen bei der weiteren Planung für Ihre spezielle Tour gerne weiterhelfen.
Braune, steinige und fast menschenleere Landschaft
Anfangs erscheint diese Landschaft für uns Europäer wie eine Marslandschaft. Erst bei Beschäftigung und genaueren Hinsehen, entdeckt man vieles und dort wo man keine Menschen vermutete, leben ganze Familien – allerdings in wohltemperierten Wohn- und Arbeitshöhlen, die in den lehmigen Boden geschlagen wurden. In einigen davon kann man auch als Besucher übernachten, was wir gemacht haben. Ein Erlebnis der besonderen Art!
Aber es gibt noch mehr: Seien es prähistorische Spuren von Dinosauriern auf deren Spurensuche man sich begeben kann. An vielen Stellen sind Dinosaurier-Fußabdrücke sichtbar und viele Entdeckungen wurden dort gemacht. So wurde ein ganzes vierzehn Meter langes Skelett einer bisher unbekannten Art aus der Zeit vor rund 110 Millionen Jahren ausgegraben und als Tataouinea Hannibalis bezeichnet.
Inzwischen ist diese authentische Region Tunesien für Touristen, Abenteurer, Wanderer, Biker mit mehr als 250 km Tracks erschlossen. Es gibt gut ausgebaute Museen, originelle und komfortable Übernachtungsmöglichkeiten und jeder Schritt, jeder Blick ist von einer anderen, für uns ungewohnten Welt. Aber bei allen Projekten wurde auf Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit geachtet.
Hier ein paar Beispiele
Als eines der ersten Übernachtungsmöglichkeit, ein „Öko Vorzeigeprojekt“ mit dem Namen „Domaine Oud El khlil“ bei Ghomrasen hat sich der ehemalige Verwaltungsbeamte Radhouane Tiss seinen Traum geschaffen. Mitten in einem saftig grünen Garten mit allerlei Gemüsestauden, Oliven- und Fruchtbäumen hat er weiße Lehm-Iglus (Ecodomes) errichtet. Gemütlich eingerichtet mit Beberteppichen, gemütlichen Betten, und teils sogar Küchen. Im Haupthaus bereitet seine Frau landestypische Gerichte zu. Alles aus dem eigenen Garten. An dieser Stelle sei auch erwähnt, dass die tunesische Küche eine durchaus gesunde ist mit viel Gemüse, herrlichen Kräutern, orientalischen Gewürzen, Minzen, Mandeln, Datteln und Orangen. Für unser eins erstaunlich, wie man in dieser kargen Gegend so viele frische Lebensmittel anbauen kann. Machbar ist dies mit Zisternen und Speicherung von Regenwasser und einer gut angelegten Bewässerung.
Weiter führt uns unsere Tour auf Faïd-Pass, dort wo Erwin Rommel im November 1942 in der sogenannten Mareth-Linie entgültig verlor und man heute noch die versteckten Stellungen entdecken kann. Von hier oben hat man ein wunderbaren Weitblick in alle Richtungen und einen der schönsten Sonnenuntergänge weltweit.
Ein anderes Beispiel ist ein Gästehaus mit Wohnhöhlen in „Dar Toujane“. Fünf Wohnhöhlen, Herren und Damendusche und WC im Innenhof getrennt. Abends sitzt man noch im Innenhof, träumt von den Erlebnissen und trinkt noch etwas vor dem Schlafengehen. Erstaunlich temperiert sind diese Höhlen. Ratsam ist es eine kleine Taschenlampe mitzunehmen, jedenfalls ein echtes Abenteuer.
Am nächsten Morgen erkunden wir mit dem Besitzer als Guide die Umgebung und er führt uns bei einer Wanderung durch steiles Gelände, bis zu einer Wasser Oase, in der man sogar baden kann. Dies obwohl es hier seit Monaten nicht geregnet hat. Am Weg erklärt er uns, was hier alles wächst, das alles in den heimischen Küchen verwendet wird und den typischen Geschmack bewirkt. Das wir abschließend bei der Wasserstelle noch einen mächtigen Adler sehen durften, der stolz über uns hinweg seine Runden flog, zeigte uns einmal mehr das auch in dieser Region Leben möglich ist.
Tamazret ein Ort der Überraschungen und Vorort zur Sahara Wüste
Danach geht es in Richtung Tamrezet, wo man unbedingt das allseits bekannte Heimatmuseum besuchen muss. Ein paar Schritte bergan und schon steht man davor. Dieses Museum, ebenfalls als ausgebaute Höhle angelegt, zeigt einen guten Überblick mit seinen Exponaten über das Leben und Brauchtum der Dahar-Region. Früher war dies eine Wohnung und vor Feinden gesichert, sogar mit einem 1,5 km langen unterirdischen Weg um Wasser zu holen oder auch bei Gefahr zu fliehen.
Ein paar Meter den Weg nach oben kann man im Terrassen-Cafe „Ben Jemaa“ einen tunesischen Kaffee zu sich nehmen. Und wie das Leben so spielt, kommen wir mit dem Belgier Patrick Bourseaux der neben uns seinen Kaffee trinkt ins Gespräch, der hier im Ort ein kleines lokales Hotel samt Restaurant mit 4 Sterne Küche, dass er mit seiner Frau seit einigen Jahren hier betreibt.
Wenn Sie vor der nächsten Wüstenetappe noch einmal richtig entspannen, gut schlafen und schwimmen wollen, empfiehlt sich das Dar Ayed im Ort. Es ist in der Tat das Letzte Wohlfühlhotel mit allem Komfort, bevor wir den Wüstentrip starten.
Unsere Wüstentour startet
Ratsam ist es eigentlich ab hier mit dem Geländeauto zu fahren, aber je nach Vereinbarung kann man auch noch einige Kilometer mit „normalen“ Autos fahren. Dann muss man allerdings einen Treffpunkt für den Umstieg ins Geländeauto vereinbaren. Schon die Fahrt zu diesem Treffpunkt zeigt, was auf uns zukommen wird. Obwohl noch asphaltierte Straßen wehen Sanddünen über die Straße, bilden Sandzungen bis zu 30-40 cm und erfordern einiges an Geschick seitens des Fahrers.
Dann steigen wir um in echte „Wüstenschiffe“ (Toyota Land Cruiser). Bei Start staubt es bereits aus allen Spalten und Lüftungsöffnung, sodass man die Fenster mehr als offen haben muss, sonst würde man nur Sand einatmen. Jetzt ist natürlich Zeit das obligatorische Berbertuch (Shemagh) sich über den Kopf, Mund und Nase zu binden. Für uns europäisch geprägten Autofahrer ist das wie eine andere Welt. Unser Fahrer – ein echter Berber – der hier jeden Fleck bestens kennt, sagt zu uns: „Nicht anschnallen, aufrecht sitzen und mit den Schwingungen mitgehen“. Dann plötzlich endet die Straße und man fährt in das Dünengebiet.
Kamele sieht man hier nur mehr Wildlebende, die aber doch jemanden gehören, wie uns der Fahrer erklärt. Kostet ein Kamel doch bei diversen Ersteigerung hier bis zu 11.000 Euro. Die Wüste wird heutzutage mit dem Auto bezwungen. Zuerst noch langsam aber ständig auf der Hut nach einer Düne, dann wird es hügeliger und unser Fahrer bahnt sich den Weg zwischen den oft meterhohen Dünen. Irgendwie erinnert es an eine Hochschaubahn, während die vorne sitzenden im Tal sind, bin ich hinten erst ganz oben. Nach rund 2 Stunden Fahrt halten wir bei einem Cafe mitten in der Wüste.
Hier trinkt man noch Kaffee oder einen Minztee oder Cola und deckt sich mit Mineralwasser für die Weiterfahrt ein. Erstaunliche Begegnung: Hier treffen wir eine 68-jährige Madame aus Frankreich, die allein mit Ihrem Hund und einen Toyota Land Cruiser mit Wohnaufbau eine Weltreise macht. Stolz erzählte sie mir wo sie schon überall war und was sie noch vor sich hat. Von wegen „Alten“!! Natürlich fährt man ab hier bis zu unserem Ziel dem Camp Mars immer in 3er oder 4er Konvoi. Es kann immer etwas passieren und schon stecken wir in einer überhohen Düne fest. Was tun? Aussteigen, Luft aus den Reifen lassen und wie bei uns im Winter vor uns zurück, immer wieder probieren, bis es dann doch nach einen guten Dreiviertel Stunde geschafft ist und wir alle weiterfahren.
Leicht erschöpft, knapp vor dem Sonnenuntergang erreichen wir das Camp Mars. Im Gemeinschaftszelt nehmen wir unser Abendessen ein. Erstaunlich gut besucht ist das Camp. Hier werden auch jährlich internationale Musikfeste abgehalten und es wurde auch schon ein Klavier mitten in die Wüste transportiert. Nach dem Essen sitzt man am gemütlichen Lagerfeuer im Kreis, schaut sich den faszinierenden Sternenhimmel an und erfreut sich an den Trommelklängen der Berber. Dann ist es Zeit in sein Zelt zu gehen, immer mit Taschenlampe ausgerüstet. Die Zelte sind sehr komfortabel, haben ein Doppelbett und sogar eine Trockentoilette und Dusche für Plastikkanister. Man schläft angesichts der Ruhe in Wüste wie ein Lamm. An den Staub der eigentlich überall ist, hat man sich längst gewöhnt.
Am nächsten Morgen stapft man die rund 60 Meter hohe Sanddüne hinauf und kann runterrutschen oder atemberaubende Bilder vom Sonnenaufgang in der Wüste machen. So weit das Auge reicht nur Sand, Dünen und Wüste. Hier verspürt man Lust zwei Tage zu bleiben, alles in sich einzusaugen und längstens dann hat man sich daran gewohnt nicht mehr auf sein Mobiltelefon zu schauen, weil für uns sowieso kein Empfang ist. Außer tunesische Betreiber.
Hier noch einige Stimmungsbilder:
Es geht zurück in die Zivilisation
Nach rund 3 Autostunden mit einem Zwischenstopp in „unserem“ Wüsten-Cafe parkt sich unser Land Cruiser Fahrer im Ort Douz auf einem Hotelparkplatz ein. Die Welt hat uns wieder. Gesund ohne Zwischenfälle mit vielen Erfahrungen, Erlebnissen und dem Wunsch bald wieder zu kommen. Entspannung gibt es die nächsten Tage auf der Insel Djerba bei diversen Thalassokur Anwendungen im komfortablen Radisson Blu Palace Resort & Thalasso, Djerba
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Unser Fazit: Menschen die Außergewöhnliches suchen, schon immer „andere Urlaube“ machten, dabei auf nachhaltigen Tourismus Wert legen, reine Badeurlaube hassen und mit etwas Improvisationstalent „blühen“ hier in Tunesien wie eine Wüstenblume auf.
Mehr an Informationen unter http://discovertunisia.at
Da bekommt man ja Lust hinzufliegen.
Tolle Bilder. Schwer zu entscheiden ob mir die marsähnlichen Bilder oder die reinen Wüstenbilder besser gefallen.
Muss ein toller Eindruck vor Ort sein!
Weg vom Lockdown und gleich zu den Berbern nach Tunesien
Macht richtig Lust auf Abenteuer in Tunesien.
Wunderbare Bilder. Eine Inspiration für mich.
Wusste gar nicht dass Tunesien so spannend sein kann. Kannte ich nur vom Badeurlaub.
Kompliment an die Redaktion, dieser Reisebericht ist hervorragend geschrieben. Informativ, spannend und ich hebe ihn mir für eine meiner nächsten reisen auf.