Interview mit Gernot Schweizer

Bewegung ist das halbe Leben

AUTORENFOTO SCHWEIZER UDO TITZ
AUTORENFOTO SCHWEIZER UDO TITZ

Wir sprachen mit ihm über Bewegung.

Er ist Trainer von Spitzensportlern wir Marcel Hirscher, Bewegungsbeauftragter der österreichischen Regierung, Physiotherapeut, Ausbildner, Vortragender und Keynote-Speaker.

BLL: Sie schreiben in Ihrem neuen Buch „Bewegung – Plädoyer für eine gesunde Gesellschaft“ dass Sitzen krank macht. Alle wissen es und keiner tut etwas dagegen. Offenbar ist der innere „Schweinehund“ zu groß. Wie wollen Sie das ändern?

Schweizer: Es muss sich unser gesamtes Lebenssystem ändern, Kinder werden mit dem Auto zur Schule gebracht anstatt zu Fuß zu gehen. Die Gesellschaft muss verantwortlich gemacht werden, damit sie gute Ernährung zu sich nimmt und für ausreichend Bewegung für sich selbst und für ihre Kinder achtet. Das Erschreckende ist im Moment, dass bereits Kinder Krankheiten haben, die auf Bewegungsmangel zurückzuführen sind. Nur wenn wir dies in den Familien ändern, „erziehen“ wir gesunde Menschen.

BLL: Es ist erschreckend, wenn Turnlehrer in Schulen sagen „Kinder können nicht einmal mehr einen Purzelbaum“. Müsste da nicht schon in Schulen etwas passieren, dass Kinder wieder mehr Freude am Sport und Bewegung haben?

Schweizer: Diese Aussagen bestätigen den vorliegenden Trend, dass immer mehr Kinder Probleme und Schmerzen bei Bewegung haben. Sie wissen oftmals gar nicht mehr was spielerische, lockere Bewegungsabläufe sind. Hingegen den Computer oder das Handy wissen sie zu bedienen. Es klingt absurd, wenn Manche Kinder in die Schule laufen lassen, von anderen Eltern als abschreckendes Beispiel gemobbt werden. Kinder lernen Bewegung beim Spiel und haben Spaß dabei, dass sollten wir wieder mehr forcieren.

BLL: Sollte es uns nicht zum Nachdenken anregen, wenn viele Regionen in Österreich von den Einnahmen vom Skisport, von den Liften und vom Tourismus leben und immer weniger Jugendliche zum Skifahren gehen?

Schweizer: Typisch ist es für unsere Gesellschaft, wenn man bevor man sein Kind auf einen Schulskikurs schickt, sofort über Haftungsfragen, Verschuldensfragen und Rechtsfolgen spricht. Passieren kann immer etwas, aber deswegen sein Kind in einen elterlichen Glassturz zu stellen, wäre falsch. Gute Schulpädagogen und Skilehrer vor Ort, gewährleisten das es Kindern Spaß macht und dass sie in frischer Luft einen Sport erlernen können, der ihnen ihr gesamtes Leben Freude bereiten kann. Nur als Kind lernt man leicht und gern. Das ist einer der Beiträge der Eltern, zum Erlernen von spielerischen Bewegungsabläufen ihrer Kinder.

BLL: Wie sieht ihrer Meinung nach, die Situation bei älteren Menschen ab 60 Jahren hinsichtlich Bewegung aus?

Schweizer: Ältere Menschen die in ihrer Kindheit sportlich waren, tun sich auch im Alter leichter wieder mit Bewegung. Wichtig wäre nur die richtige Dosierung und Auswahl der Bewegung. Einfach ins Fitnessstudio zu gehen und unkontrolliert Gewichte zu stemmen, wäre falsch. Es geht um ein breitgefächertes Bewegungsfeld, abgestimmt auf die Ziele und das Alter der Menschen. Hören Sie in sich hinein „Was würde Ihnen hinsichtlich Bewegung Spaß machen?“

BLL: Einerseits boomen Fitnessstudios, auch ältere Menschen trifft man dort und trotzdem leiden viele unter Bewegungsmangel und nehmen zu. Hungerdiät oder Bewegung, was raten Sie?

Schweizer: Alles Einseitige ist zu verurteilen, nur eine Hungerkur zu machen ohne gezielte Bewegung ist der falsche Ansatz. Es ist die Kombination aus Kraftsport, Ausdauer, Koordination und Braintraining. Vieles spielt sich im Kopf ab, wenn Sie wollen, versetzen sie Berge und vieles wird Ihnen gelingen. Auch einige Kilos abzunehmen. Am besten ist es gar nicht so weit kommen zu lassen. Besser ist es rechtzeitig und kontinuierlich mit Bewegungsübungen beginnen. Die Faustformel ist 3 mal in der Woche Bewegung, auch ein längerer Fußmarsch zählt schon dazu.

BLL: Wir haben schon viel in unserem Magazin über die Sinnhaftigkeit von Ausdauertraining, Krafttraining und Koordinationsübungen geschrieben. Was empfehlen Sie Menschen ab 60? Welches Training und welche Trainingsumfänge sind empfehlenswert?

Schweizer: Wiedereinsteiger oder auch Beginner sollten sich zu allererst mit einem Sportarzt, Therapeuten oder Gymnastiktrainer austauschen und ihre Ziele, Wünsche und Möglichkeiten besprechen. Jeder Sportverein kann Ihnen raten wie Sie beginnen sollen. Dazu wird im Jahr 2020 einen österreichweiten Bewegungsplan geben, eine Art flächendeckende Landkarte, wo man überall trainieren und sich Rat holen kann.

BLL: Es gibt sehr viele positive Beispiele, wie Menschen auch im hohen Alter sportlich gesehen rekordverdächtige Leistungen erbringen, ob bei Masterbewerben, Marathons oder einfach nur aus Lust und Freude an Bewegung. Welchen Beitrag müsste die Politik in Österreich dazu leisten, damit wir mehr Menschen dazu animieren?

Schweizer: Diese Gruppe der Trainierer, Sportbegeisterten, Masterssportler und Abenteurern sind etwa 5-10 Prozent der Bevölkerung. Sie wollen nochmals wissen wie es sich anfühlt Jung zu sein und sportliche Leistungen zu erbringen. Doch bevor man damit beginnt und dann auch alle 5 Jahre sollte man einen Sportarzt konsultieren, der die Machbarkeit und den gesundheitlichen Zustand abklärt und dazu grünes Licht gibt. Denn Gelenke, Sehnen, Muskeln und der gesamte Bewegungsapparat werden nicht jünger.

BLL: Sie waren bis zum Rücktritt vom Marcel Hirscher sein Physiotherapeut und Trainer. Wie kann man sich eine Zusammenarbeit mit einem so außerordentlichen Sportler wie Marcel vorstellen? Gibt es bei Spitzensportlern eine Grenze beim Training, oder liegt das in den Genen „Immer höher, immer schneller, immer besser“, oder kann man das trainieren? Geben Sie bitte unseren Leserinnen und Lesern doch einen kleinen Einblick in den Trainingsalltag von Marcel Hirscher.

Schweizer: Ich sage immer Profisport auf höchstem Niveau ist nicht gesund, schon gar nicht, wenn er nur einseitig ist. Trainingsumfänge zwischen 4 – 6 Stunden täglich kennzeichnen das Leben von Profisportlern. Heute ist es wichtiger denn je, ein Athlet im Sport zu sein. Optimale Muskelbalance, optimale Kraft und Ausdauerwerte, alles ist inzwischen messbar. Aber eine gesunde Portion Ausgleichsport und Ausgleichstraining ist genauso wichtig. Eine ideale Abstimmung zwischen Wettkampftraining, Ausgleichstraining und Regeneration ist unverzichtbar. Dies ist beispielsweise in einem stressigen Profisportlerleben eines Marcel Hischer gar nicht so einfach zu integrieren. Umso wichtiger war es daher dass wir mit ihm schon rechtzeitig die Trainingsschritte, vor und nach einem Skirennen abgestimmt haben mit allem was dazu gehört, Ortswahl, Reisevorbereitung, Flugbuchung und Verfügbarkeit der Therapeuten, Trainer und Betreuer. Das war auch ein Teil seines Erfolges.

Marcel Hirscher ist übrigens eines der besten Beispiele für richtige Bewegungsausführung. Er hatte, animiert durch seinen Vater Ferdinand schon in früher Kindheit die Möglichkeit spielerisch Bewegung zu lernen, sei es am Seil, sei es beim Balancieren oder bei Skifahren. Er ist der beste Beweis, dass Kinder in der Jugend leicht sportliche Aktivitäten erlernen, die für später bedeutend sind. Dies ist fast eine Garantie für ein gesundes langes Leben.

BLL: Wie geht es Ihnen persönlich mit dem Training? Bleibt Ihnen genug Zeit dafür oder leiden Sie auch darunter, dass Sie zu wenig Zeit für Bewegung haben?

Schweizer: In den letzten 2 Jahren hatte ich persönlich zu wenig Zeit für mich. Ich habe die Aufgabe des Bundeskoordinator übernommen, dabei hatte ich meinem Trainerteam einiges an Umstellungen zu managen. Schön langsam wird es wieder besser. Ich persönlich verfolge ebenso den ganzheitlichen Ansatz, ich gehe gerne Biken, bin ab und wann im Kraftraum, fahre Ski, aber niemals auf höchstem Level. Es soll Spaß machen und mich fit halten für das tägliche Leben.

Vielen Dank für das Gespräch!

Wenn Sie mehr über Gernot Schweizer und sein erst kürzlich erschienenes Buch „Bewegung – Plädoyer für eine gesunde Gesellschaft“ wissen wollen, lesen Sie hier. https://besserlaengerleben.at/news/buchtipp/buchtip-bewegung-pla%cc%88doyer-fu%cc%88r-eine-gesunde-gesellschaft.html

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2 Kommentare

  1. Gott sei Dank wir das mal gesagt. Durch die Schule werden den Kindern Verhaltensweisen vorgezeigt die nicht zu einer Verbesserung der Gesamtsituation beitragen..

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