Ein kurzer Einblick und ein Bericht der Tanzproben für Monteverdis L’incoronazione di Poppea in der Inszenierung von Jan Lauwers, die am 12. August im Haus für Mozart Premiere feiert.
Leise durchdringt die Musik des Ritornells das Treppenhaus im Schüttkasten. Die immer wiederkehrenden Motive ertönen immer lauter, je näher man der Probebühne kommt. Jan Lauwers klatscht in die Hände, die Musik stoppt abrupt. Er studiert die Choreographie für den 3. Akt in Monteverdis Oper L’incoronazione di Poppea ein. 20 Tänzer waren gerade dabei große gelbe Requisiten-Torsi zusammenzusetzen und stoppen nun, um zu lauschen, was Jan Lauwers zu sagen hat. Er zeichnet für Regie, Bühne und Choreografie der Neuinszenierung der Salzburger Festspiele verantwortlich.
„Das war gut, aber ich möchte mehr“
sagt Jan Lauwers.
„Ihr stellt hier nicht nur einen Stuhl um und bewegt das Requisit von einem Punkt zum nächsten. Das mag euch vielleicht banal vorkommen, aber in diesem Moment ist es das Wichtigste auf der ganzen Welt für euch diese Gegenstände zu bewegen. Macht das mit der gleichen Konzentration wie ein Tischler einen Tisch bauen würde, dann wird es gut.“
Alle bewegen sich wieder zurück auf ihre Anfangspositionen
Dramaturgin Elke Janssens dreht die Musik wieder auf und die Performer beginnen erneut zu tanzen. Stück für Stück setzen sich die gelben Teile zu einem fließenden überdimensionalen Kleid zusammen – das Kleid der Drusilla entsteht auf der Bühne. Und Jan Lauwers ist nun sichtlich überzeugt von seiner Szene. „Ich bin kein Choreograph, auch wenn ich mit Performern und Tänzern arbeite. Ich bin ein Künstler, der im Theater arbeitet. Das ist ein wichtiger Unterschied für mich“, sagt Jan Lauwers. Er nenne die Tänzer mit Absicht Performer, er kreiere hier nicht nur Tanzschritte, sondern eine Darbietung, es ginge dabei um das Gesamtkunstwerk, das auf der Bühne entsteht.
Dass er nun zuerst mit den Performern probt und das bereits im April, sei ungewöhnlich. Er habe sich bewusst dafür entschieden, sagt er. Dass er modernen Tanz in diese barocke Oper bringt, empfindet er nicht als Widerspruch. Denn Monteverdi ginge es in dieser Oper um Humanität. „Diese Oper ist nach wie vor sehr aktuell. Ich habe überlegt, wie ich diesen Humanitätsgedanken auf die Bühne bringen kann“, sagt er. „Es geht mir darum, die Menschlichkeit in eine Körperlichkeit zu verwandeln. – Ich möchte den Zuschauer durch die Performer dazu animieren, noch intensiver zuzuhören.“ Er sei sich einig mit Dirigent William Christie, Humanität und Menschlichkeit in dieser Oper in den Vordergrund zu stellen. Daher sehe er auch alle Beteiligten als Protagonisten: Nicht nur die Sänger seien in seiner Inszenierung Solisten, auch das 17-köpfige Ensemble und die 20 Performer seien jeder einzeln ein Solist auf der Bühne und solle sich als solcher fühlen.
Nach der Pause steht eine Szene aus dem ersten Akt auf dem Plan
Die Performer des Bodhi Project sowie des SEAD (Salzburg Experimental Academy of Dance) stehen barfuß auf der Schräge der Probebühne. Die Musik setzt ein und eine Performerin bewegt sich nach vorne, in die Mitte der Bühne und fängt an sich im Kreis zu drehen. Paul Blackman, der Choreographie-Assistent, erklärt den Performern im Hintergrund leise die nächsten Schritte, während die Tänzerin im Vordergrund sich unentwegt im Kreise dreht. Bis einer der anderen Performer sie aus der Bewegung holt und an ihrer Stelle übernimmt. Nun ist er es, der sich einige Minuten lang dreht. „Das ist ein sehr schöner Moment“, sagt Jan Lauwers. „Machen wir es noch einmal.“ Das permanente Drehen sei am Anfang natürlich eine Herausforderung für die Performer gewesen, sagt der Regisseur. Aber es passe hervorragend zur Musik Monteverdis. Dieser repetitive Charakter sei der Ritornell-Musik sehr ähnlich.
Dass die barocke Musik sogar sehr tanzbar ist, unterstreicht Performer Felix Urbina Alejandre im Gespräch in der Pause. „Gerade in den Momenten, in denen wir uns sehr lange drehen, haben wir die Möglichkeit während des Tanzens die Schönheit der Musik wahrzunehmen und damit zu spielen. Das ist ein herrliches Gefühl“, sagt er. Und auch sein Kollege Yonier Camilo Mejia stimmt ihm zu. „Das lange Drehen war am Anfang schwierig. Mittlerweile aber empfinde ich es als eine Art Meditation“, sagt der Kolumbianer. Es sei ein guter Moment, um die Musik wirklich wahrzunehmen. Was sie an der Poppea faszinierend finde? – Performerin Cristina Fores-Hitt hat sofort eine Antwort parat: „Diese Rohheit und Hässlichkeit, die sich im Libretto der Oper verbirgt, ist so raffiniert und fein verpackt in dieser wundervollen Musik. Dadurch kann ein Gespräch zwischen Musik und Tänzer stattfinden. Das finde ich wundervoll.“
Körper an Körper, Haut an Haut. Oft verschlingen sich die Tänzerkörper ineinander
In der nächsten Szene laufen die Performer in zeitlupenartigen Bewegungen aufeinander zu. Ihre Minen verziehen sich zwischen bedrohlich und übermäßig lachend. In der Mitte der Bühne kommen sie zusammen, halten die Fäuste in warnenden Gebärden nach oben, wirken aggressiv. Jan Lauwers steht wie ein Spiegel vor der Gruppe. Gleich einem Dirigenten überprüft er die Szene, korrigiert, unterstützt, unterbricht und ermutigt. „Und jetzt in das schnellere Tempo“, sagt er. Und die Tänzer bewegen sich wieder auseinander und ins hintere Drittel der Bühne. Immer wieder fällt einer der Tänzer effektvoll zu Boden und kämpft sich wieder nach oben.
Insgesamt drei Wochen hatten die Performer im April Zeit, die Choreografie mit Jan Lauwers zu erarbeiten. Anfang Juli beginnen dann die Klavierproben. „Ich kann es kaum erwarten, die Sänger kennenzulernen und mit ihnen zusammen zu arbeiten“, sagt Performerin Cristina Fores-Hitt.
„Ich hoffe Salzburg ist bereit für unsere Interpretation der Oper“
sagt Jan Lauwers mit einem Lächeln im Gesicht.