Wenn das System versagt – Zwei Tote und viele Fragen. Was sind die Ursachen und was muß sich ändern?
Österreich rühmt sich eines der besten und teuersten Gesundheitssysteme der Welt zu sein. Mit rund 12 % des Bruttoinlandsprodukts fließen jährlich über 50 Milliarden Euro in die medizinische Versorgung – mehr als in die meisten anderen europäischen Länder. Doch die Realität, die sich in den vergangenen Tagen zeigte, steht in scharfem Kontrast zu diesem Selbstbild.
Zwei Patienten sind verstorben, weil sie in österreichischen Spitälern keinen Platz fanden. Wie konnte das geschehen – in einem Land mit solch hohen Gesundheitsausgaben?
Ein System am Limit
Das Problem ist nicht neu. Schon seit Jahren warnen Ärzt*innen, Pflegekräfte und Expert*innen: Das System ist überlastet, überbürokratisiert und unterbesetzt. Die Corona-Pandemie hat diese Schwächen offengelegt, doch statt dies als Weckruf zu nutzen, wurden strukturelle Probleme weiter vertagt.
Notaufnahmen platzen aus allen Nähten, Stationen müssen Betten sperren, weil Pflegepersonal fehlt, und Patienten werden zwischen Krankenhäusern hin- und hergeschickt, weil kein Platz verfügbar ist.
Das Ergebnis: Menschen sterben nicht an der Krankheit selbst, sondern daran, dass sie keine rechtzeitige Versorgung erhalten.
Warum passiert das in einem reichen Land?
Personalnot in Pflege und Medizin: Österreich bildet zu wenige Pflegekräfte aus, und viele Ärzt*innen wandern ins Ausland ab. Schlechte Arbeitsbedingungen, Überstunden und mangelnde Wertschätzung treiben die Fachkräfte weg, die das System am Leben halten sollten.
Bürokratie statt Versorgung
Ärzt*innen und Pflegekräfte verbringen bis zu ein Drittel ihrer Arbeitszeit mit Dokumentation, Formularen und Verwaltung. Zeit, die sie nicht bei den Patient*innen verbringen können.
Zersplitterte Zuständigkeiten
Die Kompetenzen sind zwischen Bund, Ländern, Sozialversicherung und Spitälern ist zersplittert. Das führt zu ineffizientem Ressourceneinsatz, Doppelstrukturen und fehlender Gesamtsteuerung.
Fehlende Primärversorgung
Hausärzt*innen, die wohnortnahe Basisversorgung leisten könnten, sind überaltert oder fehlen in vielen Regionen komplett. Die Folge: Patient*innen landen direkt im Spital – auch mit leichten Beschwerden.
Fehlende Digitalisierung
Während andere Länder längst digitale Patientenakten, Telemedizin und smarte Ressourcenplanung nutzen, kämpft Österreich noch mit Faxgeräten und inkompatiblen IT-Systemen.
Die Folgen für die Menschen
Für Patient*innen bedeutet das: längere Wartezeiten, geringere Behandlungsqualität, weniger menschliche Zuwendung. Für das Personal bedeutet es: Erschöpfung, Frustration und Burnout. Und für die Gesellschaft bedeutet dies: Vertrauensverlust in ein System, das eigentlich Sicherheit geben sollte.
Was sich ändern muss
Pflegeoffensive und bessere Arbeitsbedingungen
Mehr Ausbildungsplätze, bessere Bezahlung und eine echte Entlastung durch Assistenzberufe und Digitalisierung. Pflege darf kein Notnagel-Job sein, sondern ein respektierter Beruf mit Perspektive.
Zentrale Steuerung und klare Verantwortlichkeiten
Ein nationales Gesundheitsmanagement, das Bettenkapazitäten, Notaufnahmen und Ressourcen koordiniert – über Bundesländergrenzen hinweg.
Stärkung der Primärversorgung
Mehr Gruppenpraxen, Primärversorgungszentren und digitale Erstkontaktstellen (Telemedizin), um Spitäler zu entlasten.
Digitalisierung mit Sinn
Einheitliche IT-Systeme, digitale Patientenakten, automatisierte Terminverwaltung – um Bürokratie zu reduzieren und Versorgung zu beschleunigen.
Transparenz und Qualitätssicherung
Offenlegung von Kapazitäten, Wartezeiten und Qualitätskennzahlen, damit Probleme frühzeitig sichtbar werden und politisch nicht länger vertuscht werden können.
Fazit
Zwei vermeidbare Todesfälle sind ein Weckruf. Österreich kann sich kein Gesundheitssystem leisten, das trotz Rekordausgaben Menschen im Stich lässt. Geld allein heilt kein System – Mut zu Strukturreformen, klare Verantwortung und echte Wertschätzung für das Personal.
Es ist Zeit, dass Österreich endlich wieder gesund wird.

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