Wichtige Themen bei der Eröffnung der Toleranzgesprächen 2020
Das unaufhörliche Wachstum stoppen. Nur eine „neue Aufklärung“ bewahrt die Menschheit vor der Zerstörung der Umwelt und der Vernichtung all ihrer Ressourcen. Mit dieser Message hat der deutsche Umweltforscher und Club-of-Rome-Ehrenpräsident Ernst Ulrich von Weizsäcker das Toleranzforum der Europäischen Toleranzgespräche http://fresach.org in dem Bergdorf Fresach in Österreich eröffnet. Weizsäcker sprach darin vom Auszug aus der „vollen Welt“, die von Überbevölkerung und unaufhörlichem Wachstum erstickt wird. Eine nachhaltige „mittlere Welt“ sei nötig, in der Menschen genügsam leben und das Bevölkerungswachstum eingedämmt ist.
„Altbewährtes wiederentdecken“
„Die alte Aufklärung hat die Welt revolutioniert und für ein nie dagewesenes Ausmaß an Gleichheit und Gerechtigkeit gesorgt. Jedoch hat sie auch zur großflächigen Eroberung und Zerstörung geführt. Eine neue Aufklärung müsste ein Aufruf sein zur Vergrößerung der Lebensräume von Tieren und Pflanzen, zum Stopp der Überbevölkerung und zur Entschleunigung. Seit 200 Jahren setzen wir unaufhörliches Wachstum mit Fortschritt gleich. Doch wir dürfen nicht ständig nach mehr und nach Neuem streben, sondern müssen das Altbewährte wiederentdecken“, fordert Weizsäcker.
Bei der anschließenden Diskussion erklärte Hannes Swoboda, Präsident des Kuratoriums der Europäischen Toleranzgespräche, dass die neue Aufklärung auf viel Widerstand stoßen wird. „Menschen fürchten das Ungewohnte. Aber sie müssen verstehen, dass trotz der schwierigen Umstellung dadurch eine bessere Welt entsteht. Es geht nicht nur um Verzicht, sondern um die Verbesserungen, die dadurch entstehen. Die Politik muss im Dialog mit den Bürgern stehen und ihnen das Positive vermitteln“, so Swoboda.
Umstellung braucht Selbstdisziplin
Psychotherapeutin Margarethe Prinz-Büchl traut den Menschen die Umstellung zu: „Viele haben deren Wichtigkeit begriffen. Vor allem die Coronavirus-Krise hat viele Aspekte des Lebens verändert und zur Selbstreflexion gezwungen. Momentan befinden wir uns in einer Lernphase“, erläuterte Prinz-Büchl. Menschen müsse klar werden, was sie in ihrer Gemeinschaft beitragen können. Dafür brauche es aber viel Selbstdisziplin.
Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle fügte hinzu, dass der Auszug in die „mittlere Welt“ den Zusammenhalt der Gesellschaft erfordert. „Die Coronavirus-Krise hat uns auch die Kraft der Gemeinschaft gezeigt. Die Menschen dürfen nicht nur ihre Rechte als Individuen kennen, sondern auch ihre Verantwortung in der Gesellschaft sowie die Wertschätzung für Beiträge dazu“, sagte Stainer-Hämmerle.
Auszug nicht zum Zwang machen
Der Auszug aus der „vollen Welt“ darf jedoch nicht zum Zwang werden, räumte Josef Marketz, Bischof von Gurk-Klagenfurt, ein. Der Geistliche nannte das Klosterleben als ein Beispiel für die bewusste Entscheidung zur Genügsamkeit. „Auch heute entscheiden sich junge Menschen noch dazu. Wir müssen die Freiheit haben, das Leben zu üben und Dinge auszuprobieren. Nur das macht das Leben lebenswert“, so Marketz. Swoboda pflichtete dem bei, Lenkungsmaßnahmen seien zwar unvermeidlich, müssten aber begründet sein und den Menschen ihre Freiheit nicht nehmen. Eine individuelle Kompensation könne als Anreiz zur freiwilligen Genügsamkeit dienen.
Ein wichtiger Gesprächspunkt war die von Weizsäcker kritisierte Überbevölkerung. „In vielen Entwicklungsländern wie in Afrika stammt die Vorstellung von Fruchtbarkeit oft noch aus der Steinzeit“, argumentierte Weizsäcker. Helmuth A. Niederle, Präsident des östereichischen P.E.N. Club http://penclub.at , entgegnete, dass Familien in Entwicklungsländern oft viele Kinder brauchen, um sich versorgen zu können. „Es darf für eine Familie nicht überlebenswichtig sein, 15 Kinder zu haben. In diesen Ländern muss es ein funktionierendes Rentensystem geben, um diese Notwendigkeit zu verhindern“, erwiderte Weizsäcker.
pte
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