Bekommen Sie keinen Kuraufenthalt bewilligt? Dann wohnen Sie vielleicht im falschen Bundesland.
Die NEOS wollten in einer parlamentarischen Anfrage von der Gesundheitsministerin konkrete Auskünfte zu Kurverfahren in Österreich bekommen. Die Antworten waren bescheiden, machten es aber deutlich, dass die Kurvergabe für Versicherte ein reines Glücksspiel ist. Abhängig von Krankenversicherungsträger und Heimatbundesland werden in Österreich die Kuren scheinbar willkürlich verteilt.
Obwohl alle dieselben Beiträge zahlen, könnten die erhaltenen Leistungen nicht unterschiedlicher sein: In Wien und Tirol vergibt die GKK überhaupt keine Kuren. Im Vergleich dazu kommt in Kärnten jeder 90.000ste, in Oberösterreich jährlich jeder 177ste Versicherte in den Genuss einer Kur.
Besonders deutlich kommt diese drastische Ungleichheit im Hinblick auf Kuren im Ausland zur Geltung. Während Wien und Tirol völlig leer ausgehen, schickt die NÖGKK fast 15% der Kurgänger ins Ausland. Die Versuchung ist groß, seine Kur in Rimini oder am Toten Meer zum Zweiturlaub werden zu lassen.
Auch bei den Sozialversicherungsträgern mit mehreren Versicherungszweigen (Kranken- und Pensionsversicherung) bestehen große Unterschiede, sodass bei der SVA jeder 12. und bei der Beamtenversicherung BVA jeder 6., bei den Eisenbahnern überhaupt jeder 4. jedes Jahr auf Kur gehen kann.
Die Zeitgemäße Kur wurde erst 2015 gefordert
Bereits Anfang August 2015 sorgte ÖVP-Generalsekretär Peter McDonald, damals noch als Chef des Hauptverbandes für Sozialversicherungsträger, für Aufsehen mit seiner Forderung nach einer zeitgemäßen Kur anstatt eines subventionierten Quasi-Urlaubs.
Obwohl es doch mehr als genug Gründe gäbe, sich ernsthaft damit auseinanderzusetzen, war das Thema schnell vom Tisch. Denn Tatsache ist, dass die Kosten in Österreich für Kuraufenthalte jährlich rund 200 Millionen € betragen.
Kurieren sollte gesundheitsversprechend sein
Während ÖVP-Gesundheitssprecher Rasinger auf den Erholungswert der Kur verweist, übersieht er, dass die Erholungsfunktion kraft Gesetzes dem Urlaub zukommt. Rasinger meint weiters, Kuren und Rehab-Aufenthalte sollen auf eine generelle Prävention ausgerichtet werden.
Allerdings, so meinen die NEOS, müssen Kur und Rehabilitation differenziert betrachtet werden:
Die Pensionsversicherungsanstalt definiert die Kur als „eine Maßnahme zur Gesundheitsvorsorge“. Im Gegensatz zu dieser Gesundheitsvorsorge dient die Rehabilitation dazu, die Gesundheit wiederherzustellen, wenn schon Funktionseinschränkungen bestehen.
Während also Rehabilitationsmaßnahmen eine wesentliche Säule des österreichischen Gesundheitswesens darstellen, bleiben zum Thema Kur mehrere Fragen offen:
Bekommen die Menschen eine Kur, die sie am Dringendsten brauchen?
Wird mit den bisherigen Methoden der Kur die gewünschte Gesundheitsvorsorge erreicht?
Stehen die erreichten Erfolge in einem angemessenen Verhältnis zu den Kosten?
Psychologisch und medizinisch gesehen, weist ein Aufenthalt von 3 Wochen auf den Körper sowie die mentale Einstellung nicht den gewünschten Effekt auf. Wesentlich wirkungsvoller wären dabei Methoden über einen längeren Zeitraum verteilt, in den heimischen Alltag integriert und mit ärztlicher Beratung begleitet. Für viele Diagnosen, die heute in einen Kuraufenthalt münden, böte sich eine ambulante Betreuung, eingebettet in das entstehende System der Primärversorgungszentren an.
Die Verantwortlichen wissen nichts
Die Gesundheitsministerin und der Hauptverband können die oben ausgeführten Fragen nicht beantworten. Sie tappen nämlich schon im Dunkeln darüber,
– wie alt die Personen sind, die auf Kur geschickt werden,
– auf Grund welcher Diagnosen Versicherte auf Kur geschickt werden,
– welche Erfolge die Kuraufenthalte zeitigen,
– wie viele Versicherte mehrfach (auf Grund derselben oder auf Grund unterschiedlicher Diagnosen) auf Kur waren,
– worauf die unterschiedliche Vergabepraxis der verschiedenen Kassen zurück zu führen ist.
Wir geben in Österreich also viel Geld aus, wissen nicht genau wie viel und wissen nicht, mit welchem Nutzen.
Was wir allerdings wissen:
Die rot-schwarz geführten Sozialversicherungsträger unterhalten selbst rund 30 Kurzentren, die gefüllt sein wollen. Daneben gibt es private Betreiber, die neben Privatkurgästen ihr Geld auch – oder vor allem – mit Versicherten der österr. Sozialversicherungsträger verdienen. Als deren Interessenvertretung arbeitet der „Österreichische Heilbäder und Kurorteverband“ (ÖHKV), welcher der ÖVP zuzuordnen ist. Zusätzlich verstehen Regionen ihre Kurzentren als Regionalförderungen – auf Kosten der Versichertengemeinschaft.
Was wir auch wissen: Für Mittelvergaben, deren Nutzen und Gerechtigkeit zweifelhaft ist, darf in einem solidarischen System kein Platz sein,
meint auch ihre Spitzfeder.
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