Beim Klettern kommt oft Eigenverantwortung zu kurz

Klettern liegt voll im Trend. Doch mit dem Boom steigen auch die Unfallzahlen.

Die Region Ramsau am Dachstein hat sich auf Bergtourismus spezialisiert und trägt dieser Entwicklung Rechnung, indem sie seit dem Vorjahr den Klettersteig-Schein anbietet. Ein Basiskurs für Einsteiger, bei dem die grundlegenden Sicherheitsregeln am Berg beigebracht werden.

Im Rahmen einer Podiumsdiskussion erörterten Experten, ob solche Kurse die praktikable und sichere Lösung dafür sind, den Boomsport Klettern für die breite Masse zugänglich zu machen.

Das Angebot kam bei den Gästen großartig an, wie Elias Walser vom Tourismusverband Ramsau erklärt, und wird heuer um den Klettersteig-Schein für Familien mit Kindern erweitert: „Wir wollen mit dem Klettersteig-Schein niemanden abschrecken, sondern eine proaktive Sensibilisierung schaffen“.  Für die Ramsau und die dort aktiven Bergretter ist dies ein Beitrag zu mehr Sicherheit am Berg, ein niederschwelliges Angebot für Einsteiger. Für die Gäste bietet der Kurs die Möglichkeit, auch im knapp bemessenen Urlaub erste fundierte Bergerfahrung zu sammeln.

Wichtige Grundausbildung oder Crashkurs?

Genau das war die zentrale Frage bei der Podiumsdiskussion in Wien, wo Experten aus dem Alpinsport die Sinnhaftigkeit des Klettersteig-Scheines hinterfragten. Seitens des Österreichischen Alpenvereins (ÖAV) erklärte Friedrich Macher, er begrüße es, wenn sich Interessierte zumindest informieren, bevor sie in die Berge gehen: „Wir alle wissen, es geht oft ums kleinere Übel. Und bevor jemand völlig blank auf einen Berg rennt, ist es mir lieber, es gibt diese Kurse als Orientierungshilfe.“ Auch Reinhard Kraxner, der Leiter der ÖAMTC Flugrettung, sieht den Klettersteig-Schein als sinnvolles Angebot: „Mir ist es lieber, jemand beschäftigt sich ein bisschen damit und erlernt die Grundlagen, bevor er unbedarft als Autodidakt in den Klettersteig geht. Wir stehen dem Klettersteig-Schein positiv gegenüber und begrüßen diese Initiative.“

Wobei die Unfallhäufigkeit auf Klettersteigen aus Sicht der Flugrettung glücklicherweise gering sei, so Kraxner: „Wir fliegen pro Jahr rund 2000 Einsätze in Österreich und nur etwa 20 davon betreffen Klettersteige.“

Kritik am Schein-Modell kam von Bergführer und Extrembergsteiger Christian Stangl, der als Skyrunner international bekannt wurde. Er befürchtet, die schnelle Ausbildung würde eine trügerische Sicherheit suggerieren: „Aber der Klettersteig-Schein ist ja kein Führerschein, keine verpflichtende Lizenz, die eine umfassende Ausbildung bedeutet. Das muss den Leuten klar sein.“

Andreas Würtele vom Kuratorium für Alpine Sicherheit teilt Stangls Kritik zum Teil und wünscht sich ebenfalls längere und profundere Ausbildungen. Zugleich sieht das Ramsauer Angebot aber auch sehr positiv: „Grundsätzlich finden wir alle Initiativen gut, die in Richtung Sensibilisierung gehen. Jahrelang haben wir dem Tourismus vorgehalten, dass er nur die schönen Bilder zeigte, ohne auf die Gefahren hinzuweisen. Daher sind wir froh dass die Ramsau sich engagiert.“

Klettersteig-Schein und die Versicherungsfrage

Besonders spannend ist im Zusammenhang mit dem Klettersteig-Schein die Frage, ob daraus auch versicherungstechnisch eine Haftung abgleitet werden kann. Johannes Rumpl von der UNIQA-Versicherung beschwichtigte jedoch, dass vom Klettersteig-Schein keine Qualifikation abgeleitet werden könne, die auf die Versicherungsfrage Auswirkung hat. Seitens des ÖAV spricht Macher von einer Risikokultur, die man pflegen müsse: „Der Klettersteig-Schein ist eine Möglichkeit, hier ein Risikobewusstsein zu schaffen.

Die Gesellschaft hat sich gewandelt, man sucht den schnellen Kick. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, den Menschen klar zu machen, dass es in den Bergen gefährlich sein kann. Die Grundidee des Klettersteig-Scheines ist gut.“ Auch Würtele vom Kuratorium für Alpine Sicherheit hält den Schein aus der Ramsau für grundsätzlich gut. Er regt jedoch an, den Klettersteig-Schein noch auszubauen.

So war auch interessant zu hören das junge Menschen zumeist sich an keine Grenzen halten wollen und ältere Menschen ab 50 eher früher an ihre Leistungsgrenzen stossen. Auch die Zunahme von völlig Ungeübten die man auf Klettersteigen antrifft erschreckt so manchen Bergführer.

Zahlen und Fakten

Die Zahl der Kletter- und Klettersteigunfälle steigt jährlich. Das hängt in erster Linie mit dem anhaltenden Zulauf an Einsteigern zusammen. Doch gerade im Bereich Klettersteige zeigt sich, dass hier eine Ausbildung helfen kann, die Unfallzahlen von rund 150 auf Klettersteigen pro Jahr zu verringern. Gemäß den aktuellen Zahlen des Kuratoriums für Alpine Sicherheit, verunglücken jährlich durchschnittlich sechs Menschen auf Klettersteigen in Österreich tödlich.

Interessant ist dabei, dass es sich meist um erfahrene und einheimische Klettersteignutzer handelt, die auf Sicherungsmaßnahmen verzichten. Bei den Verletzungszahlen am Klettersteig sind wieder vorrangig Anfänger und Unerfahrene betroffen, wie die Unfallursachen zeigen. So ist Erschöpfung – aufgrund von Selbstüberschätzung und mangelnder Tourenplanung – mit 43 Prozent Hauptunfallursache. Gefolgt von Stürzen und Stolpern wegen mangelnder Trittsicherheit.

So meint Elias Walser vom Tourismusverband Ramsau  „Wir haben im Rahmen der Podiumsdiskussion wichtige und interessanten Input von verschiedener Seite erhalten, den wir nutzen werden, um unser Angebot weiter auszubauen.“ So wird im Sommer 2015 in der Ramsau erstmals auch ein Grundkurs für Familien mit Kindern angeboten wird. Denn es gibt mittlerweile auch eigene Klettersteige für Kinder, so auch in der Ramsau.

Details zu diesem Angebot sind unter www.ramsau.com/sommerurlaub/klettersteig-alpen zu finden.

Foto 1: www.photo-austria.at /Herbert Raffalt

Foto 2: berggeist007_pixelio.de

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