Alpinvereine, Bergsteigerschulen und dem Bergsportführerverband fordern von kommender Bundesregierung, die Selbstständigkeit heimischer Bergsportführer abzusichern.
In Österreich gibt es rund 5.000 Bergsportführer, die Einheimische wie Gäste sicher durch alpines Gelände führen. Doch nun steht vieles auf dem Spiel: Von der Sozialversicherung wird diese Berufsgruppe immer öfter als unselbstständig eingestuft. Dies geschieht dann, wenn sie ihre Leistungen über alpine Vereine, Alpinschulen, Reiseveranstalter, Hotels oder Lawinenkommissionen anbieten. Zu den negativen Konsequenzen dieser Regelung zählen etwa wachsende Bürokratie und erhebliche Preissteigerungen zu Lasten der Gäste. Wenn sich die Freizeitsportler folgend entscheiden, ohne Bergsportführer unterwegs zu sein, steigt das Unfallrisiko für alle in den Bergen. Aus Kostengründen werden Alpinveranstalter zudem ihre Angebote vermehrt in andere Alpenländer verlegen. Eine internationale Allianz, bestehend aus Alpinvereinen, Bergsteigerschulen, dem Verband der Österreichischen Berg- und Skiführer sowie dem Tiroler Bergsportführerverband, fordert nun von der kommenden Bundesregierung, die Selbstständigkeit der heimischen Bergsportführer abzusichern.
Österreichs Bergsportführer ermöglichen Einheimischen und Gästen einzigartige alpine Erlebnisse und sorgen dabei maßgeblich für deren Sicherheit in den Bergen. Zu dieser Berufsgruppe zählen etwa Berg- und Skiführer, Bergwanderführer, Canyoning-Guides oder Sportkletterlehrer. Diese Bergsportführer, die traditionell größtenteils als Selbstständige arbeiten, haben seit dem Inkrafttreten des Sozialversicherungszuordnungsgesetzes 2017 mit einer Herausforderung zu kämpfen: Sobald sie ihr Know-how über alpine Vereine, Alpinschulen, Reiseveranstalter, Hotels, Lawinenkommissionen oder ähnliche Kooperationspartner anbieten, werden sie von der Sozialversicherung zunehmend als unselbstständig eingestuft, und das auch Jahre rückwirkend.
„Uns werden Steine in den Weg gelegt“
Diese sozialversicherungsrechtliche Einordnung bringt für die Bergsportführer, deren Kooperationspartner und für deren Kunden schwerwiegende Konsequenzen mit sich. „Alpinvereine und Bergsteigerschulen arbeiten in den Ausbildungsprogrammen, Schulungen, Touren und touristischen Angeboten intensiv mit Bergsportführern zusammen. Uns werden dabei aber finanzielle und administrative Steine in den Weg gelegt. Diese müssen dringend beseitigt werden”, beschreibt Clemens Matt, Generalsekretär des Österreichischen Alpenvereins die Situation.
Forderung an die kommende Bundesregierung
Vor drastischen Folgen warnt nun eine internationale Allianz bestehend aus dem Österreichischen Alpenverein, dem Verband der Österreichischen Berg- und Skiführer, dem Tiroler Bergsportführerverband, dem DAV Summit Club (Bergsteigerschule des Deutschen Alpenvereins), den Naturfreunden Österreich, dem Reiseveranstalter ASI Reisen und dem Niederländischen Kletter- und Bergsportverein. Die Organisationen fordern von der kommenden Bundesregierung, in gemeinsamen Gesprächen eine für die Branchenrealität der Bergsportführer passende gesetzliche Regelung zu schaffen und die Selbstständigkeit der heimischen Bergsportführer abzusichern. „Es benötigt eine sozialversicherungsrechtliche Klarstellung, wonach als selbstständig auftretende Bergsportführer*innen rechtssicher als Selbstständige klassifiziert werden können und keine gegenteilige Einstufung durch Behörden zu befürchten haben“, bringt Michael Rosendorfer, Geschäftsführer des Tiroler Bergsportführerverbandes das gemeinsame Anliegen auf den Punkt.
Sicherheit am Berg gefährdet
„Die aktuell geltende Regelung beeinträchtigt die wirtschaftliche Planungssicherheit für Bergsportführer*innen. Das Resultat daraus: eine Preissteigerung zu Lasten der Gäste von rund 30 Prozent“, erklärt ASI Reisen Geschäftsführer Ambros Gasser, dessen Unternehmen bei zahlreichen touristischen Wanderreisen in Österreich mit Bergsportführern kooperiert. Damit verbunden wäre das Risiko, dass sich auch Ungeübte aus Kostengründen ohne Bergsportführer in die Berge wagen.
Gewarnt wird ebenso vor einer steigenden Gefahr von Alpinunfällen, wenn aufgrund der Preissteigerung vermehrt auf oftmals weniger ortskundige Guides aus dem Ausland zurückgegriffen werden muss. Für diese Guides gilt die Regelung nämlich nicht oder nur bedingt. Manfred Lorenz vom DAV Summit Club: „Jahr für Jahr bieten wir in Österreich ein breites Angebot an Berg- und Wanderreisen an. Aus Kostengründen werden wir wohl öfter ausländische Guides dafür beauftragen müssen. Diese sind oft nicht so ortskundig wie österreichische Bergsportführer*innen.“
Verlust touristischer Wertschöpfung in Österreich
An den realen Arbeitsbedingungen der Bergsportführer und aller Organisationen, die diese in der kurzen Zeit des Dienstverhältnisses anstellen müssen, führt die betreffende Regelung völlig vorbei. Besonders kleinstrukturierte alpine Vereine zeigen sich mit der Administration aufwändiger Lohnverrechnungen für tageweise Dienstverhältnisse überlastet.
Wird die derzeit ausgeübte Praxis fortgesetzt, besteht zudem die berechtigte Befürchtung, dass Alpinvereine und Alpinveranstalter ihre Tätigkeit zu Lasten der touristischen Wertschöpfung in Österreich sogar vollständig ins Ausland verlegen. „Seit mehr als 50 Jahren arbeiten wir bei unseren Kursen und Touren mit österreichischen Bergsportführer*innen zusammen. Zu unserer vollsten Zufriedenheit. Nun sehen wir uns aber mehr und mehr dazu gezwungen, unsere Aktivitäten in andere Alpenländer zu verlagern“, beschreibt Robin Baks, Direktor des Niederländischen Kletter- und Bergsportvereins, die Situation.
Große Verantwortung und Haftungsrisiko bleiben
Die Allianz aus Alpinvereinen und Bergsteigerschulen weist auf zahlreiche Gründe hin, die eine sozialversicherungsrechtliche Einordnung von Bergsportführern als Selbstständige rechtfertigen: Ein Bergsportführer hat eine große Verantwortung und haftet selbst für die von ihm Geführten – bis hin zur strafrechtlichen Verantwortung im Falle eines Unfalls. Seine Tätigkeit ist durch eine hohe Eigenverantwortung, Selbstständigkeit und Entscheidungsfreiheit definiert.
Auch wenn ein Bergsportführer in einer Tourenwoche Gäste einer Alpinschule oder eines alpinen Vereins führt, ist er in keiner Weise als Dienstnehmer tätig, zumal dies allein schon mit dem Arbeitszeitengesetz nicht in Einklang zu bringen ist.
Eine seit Mai laufende Onlinepetition unter dem Titel „Selbstständigkeit heimischer Bergsportführer:innen absichern!“ zählt bereits rund 10.000 Unterschriften.
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