BLL: Herr Dr. Kaplan, Sie sind Präsident der Bayerischen Landesärztekammer, können Sie unsere Leser über die Aufgaben und Ziele der Ärztekammer informieren?
Kaplan: Die Bayerische Landesärztekammer (BLÄK) ist – zusammen mit den 63 ärztlichen Kreisverbänden (ÄKVs) und den acht ärztlichen Bezirksverbänden (ÄBVs) – die gesetzliche Berufsvertretung aller 74.107 bayerischen Ärztinnen und Ärzte (Stand 01.01.2012). Sie ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, deren Organe die Vollversammlung und der Vorstand sind. Aufgaben der ärztlichen Berufsvertretung sind u.a.:
– Mitwirkung in der öffentlichen Gesundheitspflege
– Wahrnehmung der beruflichen Belange der Ärzte im Rahmen der Gesetze
– Umsetzung der Weiterbildungsordnung – Qualifikationen
– Förderung der ärztlichen Fortbildung
– Überwachung der Erfüllung der ärztlichen Berufspflichten
BLL: Was sagen Sie zu dem Thema Ärztemangel? Gibt es genügend Ärzte für die Bevölkerung?
Kaplan: Trotz steigender Arztzahlen steuern wir einem Ärztemangel entgegen – auch in Bayern. Der demografische Wandel trifft uns bei der medizinischen Versorgung gleich doppelt: Zum einen steigt die Zahl der Patienten mit Mehrfacherkrankungen – zum Beispiel Diabetes, Bluthochdruck oder Demenz. Wir brauchen also mehr Ärztinnen und Ärzte für die Versorgung der Patientinnen und Patienten. Zum anderen werden wir Ärzte auch immer älter. Das Durchschnittsalter der niedergelassenen Ärzte ist in den letzten 15 Jahren von 47 auf 52 Jahre gestiegen. Bei den Hausärzten liegt es sogar bei 53 Jahren. Teilzeit und abnehmende Arbeitsvolumina bei den Ärzten verschärfen diese Entwicklung.
BLL: Wie lässt sich das Gesundheitswesen finanzieren im Hinblick auf den demografischen Wandel?
Kaplan: Auf dem kommenden Deutschen Ärztetag im Mai 2012 wollen wir u.a. die Finanzierungsfrage unter dem Motto „Anforderungen an eine Krankenversicherung in der Zukunft“ diskutieren. Das Sachleistungssystem mit einer Vollkaskoversicherung muss hinterfragt werden. Eine Leistungsdefinition der GKV ist unumgänglich, ebenso eine freiwillige Selbstbeteiligung der Versicherten.
BLL: Die Bevölkerung befürchtet Einschränkungen der ärztlichen Versorgung in der Zukunft. Ist die Sorge berechtigt?
Kaplan: Bei den Fach- und Hausärzten in Praxis und Klinik rumort es kräftig. Allzu lange werden sich die Ärzte die Hinhaltetaktik nicht mehr gefallen lassen. Der Ausbau kooperativer Versorgungsstrukturen muss gefördert werden. D. h. eine Optimierung der medizinischen Versorgung in kooperativen, vernetzten Strukturen ist das Ziel. Ambulanter und stationärer Versorgungssektor müssen effektiver verzahnt werden, Arbeitsteilung und Nutzung von Synergieeffekten ist angesagt, nur so bleibt die ärztliche Versorgung gesichert.
BLL: Welche Vorsorgeuntersuchungen raten Sie Menschen ab dem 50. Lebensjahr?
Kaplan: Ich rate Erwachsenen ab 35 Jahren alle zwei Jahre sich einem „Check up“ zu unterziehen. Schwerpunkte sind hier die Früherkennung von Herz-, Kreislauf- und Nierenerkrankungen sowie Stoffwechselerkrankungen. Wichtig ist natürlich auch die Krebsvorsorge. Frauen zwischen 50 und 69 Jahren sollten zur Brustkrebsfrüherkennung mit einer Mammographie-Untersuchung gehen. So können Brustkrebserkrankungen früh erkannt werden. Auch um das Risiko zu senken, an Darmkrebs zu erkranken, rate ich zur Darmkrebsvorsorge. Zwischen dem 50. bis 55. Lebensjahr gibt es für Frauen und Männer einmal jährlich den Test auf verborgenes Blut im Stuhl. Ab dem 55. Geburtstag besteht Anspruch auf zwei komplette Koloskopien im Abstand von zehn Jahren. Weiterhin empfehle ich, notwendige Impfungen vornehmen zu lassen. Die ständige Impfkommission des Robert-Koch-Instituts listet die wichtigsten und sinnvollsten Impfungen auf ihrer Homepage auf.
BLL: Nach unserem Motto “besser länger leben“, was können sie den Älteren empfehlen um Krankheiten vorzubeugen, damit die Kosten des Gesundheitssystems nicht unfinanzierbar werden?
Kaplan:Jeder Mensch kann einen Teil zum eigenen gesunden Leben und Wohlbefinden beitragen, meist geht das schon, wenn ein paar simple Dinge berücksichtigt werden, wie gesunde Ernährung, ausreichend Bewegung und genügend Entspannung. Wichtig sind aber auch regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen, wie ich sie bereits oben genannt habe.
BLL: Wie werden Menschen über eine Patientenverfügung informiert?
Kaplan: Seit dem Jahr 2009 gibt es ein Gesetz, das den Umgang mit der Patientenverfügung regelt. Darin ist festgehalten, dass die Verfügung verbindlich ist, sofern sie von einem entscheidungsfähigen Patienten geschrieben wurde. Heute finden Betroffene über verschiede Kanäle Informationen zur Patientenverfügung. Schnell aufrufbar sind Informationen über das Internet oder die Medien, aber auch durch Veranstaltungen oder dem Gespräch mit dem Hausarzt können Patienten heute an Informationen gelangen. Es gibt auch Muster für Verfügungen, wie zum Beispiel die des bayerischen Justizministeriums.
BLL: Herr Präsident, Sie gehören auch zu den Junggebliebenen ab 50, verraten Sie uns Ihre persönlichen und beruflichen Wünsche und Ziele für die nahe Zukunft?
Kaplan: An vorderster Stelle steht natürlich die Gesundheit, gefolgt von Zufriedenheit, Ausgeglichenheit und vielleicht manchmal etwas mehr Miteinander und weniger Gegeneinander. Mein berufspolitisches Ziel ist es, unseren Patientinnen und Patienten eine qualifizierte, wohnortnah medizinische Versorgung zu erhalten.
Danke für das Interview!
‚@Brigitte: Ja, das wäre schon wünschenswert. Allerdings würde ich diese Verantwortung nicht nur bei den Ärzten belassen sondern an die Politik und die Schulen weitergeben. Je früher und öfter man hört, was gesunde Ernährung alles bewirken kann, desto eher probiert man für sich mal etwas aus, auch wenn man Traditionsmensch ist.
Gesunde Ernährung, Bewegung und ausreichend Entspannung – das hört sich nach einem sehr vielversprechenden Rezept für gesundes Altern an. Wenn es nur mehr Ärzte geben würde, die den Patienten nicht nur Pillen verschreiben, sondern ihnen zusätzlich erklären, was sie zuhause jeden Tag für ihre Gesundheit tun könnten!