Was sind die Gründe für Altersarmut?
BLL: Herr Präsident, was sind die wichtigsten Themen der Caritas die, die Bevölkerung kennen sollten?
Neher: An erster Stelle möchte ich unsere diesjährige Kampagne nennen: Unter der Überschrift „Armut macht krank“ machen wir in diesem Jahr auf den Zusammenhang von in Armut lebenden Menschen und den Auswirkungen auf deren gesundheitliche Situation aufmerksam. Wer mehr über diese Kampagne wissen möchte, findet vielfältige Informationen und Erfahrungsberichte von Betroffenen auf den Internetseiten www.jeder-verdient- gesundheit.de . Wir engagieren uns zudem intensiv im aktuellen Gesetzgebungsverfahren zur Pflegereform und setzen uns dafür ein, dass benachteiligte Kinder und Jugendliche in der Schule und in der Ausbildung so unterstützt werden, dass sie gute Chancen haben, einen Arbeitsplatz zu finden.
BLL: In welchen Fällen, mit welchen Anliegen können sich die Menschen an die Caritas wenden?
Neher: Die zentrale Aufgabe der Caritas ist es, Menschen in Not zu helfen und ihnen Unterstützung in schwierigen oder neuen Lebenssituationen anzubieten. Als Beispiele nenne ich unsere Schuldner- und Suchtberatungsstellen, aber auch die Schwangerschaftsberatung oder die Angebote der ambulanten Sozialstationen. Auch wenn eine Familie einen Platz in einer Kindertagesstätte oder in einer Pflegeeinrichtung sucht oder für einen behinderten Angehörigen ein neues Zuhause in einer Einrichtung der Behindertenhilfe: die Menschen finden in fast allen Lebenslagen und Fragen einen Ansprechpartner bei der Caritas.
BLL: Deutschland ist eines der reichsten Länder und trotzdem gibt es viele Menschen unter der Armutsgrenze.
Neher: In Deutschland hängt ein Leben in Armut meist davon ab, ob Menschen Arbeit haben oder nicht. Viele Menschen, die schon seit Jahren arbeitslos und auf Arbeitslosengeld II angewiesen sind, haben ein großes Risiko, arm zu werden und zu bleiben. Die Caritas setzt sich deswegen dafür ein, dass es gezielte Angebote für Langzeitarbeitslose gibt, die helfen, wieder einen Arbeitsplatz zu finden. Arbeitslosigkeit und Armut hängen eng zusammen. Besonders betroffen sind Menschen, die keine oder nur eine geringe Qualifizierung haben. Dass auch diese Gruppe wieder eine Perspektive bekommt, ist für uns ein zentrales Anliegen. Ebenfalls betroffen von Arbeitslosigkeit sind Alleinerziehende, die oftmals zwar gut ausgebildet sind, aber keinen Betreuungsplatz für die Kinder finden. Der Ausbau ausreichender Betreuungsmöglichkeiten ist deswegen ein Anliegen, das auch die Caritas mit unterstützt.
BLL: Was sind die Gründe für Altersarmut?
Neher: Es ist zu befürchten, dass die Altersarmut in den kommenden Jahren zunehmen wird. Die Gründe dafür sind vielfältig. Es hängt zum einen mit dem Thema Arbeitslosigkeit zusammen, über das ich eben sprach. Wenn ich über lange Zeit kein Einkommen habe und somit auch nicht in die Rentenversicherung einzahlen kann, wirkt sich das natürlich auf meine Rente aus. Aber auch, wenn ich einen Minijob habe oder einer Arbeit nachgehe, die nur gering entlohnt wird, haben die Menschen kaum eine Chance, für ein auskömmliches Leben im Alter vorzusorgen. Dies ist eine der zentralen sozialpolitischen Fragen der kommenden Jahre und eine große Herausforderung an die Politik, hier Lösungen zu finden. Der Deutsche Caritasverband wird beispielsweise eine Stellungnahme zur geplanten Rentenreform abgeben, an der das Bundesministerium für Arbeit und Soziales aktuell arbeitet.
BLL: Das Gesundheitssystem in Deutschland ist von hoher Qualität, doch es gibt Schwachstellen. Was kann die Caritas dagegen tun?
Neher: Diese Fragestellung greifen wir auch in der Jahreskampagne www.jeder- verdient-gesundheit.de auf, die ich vorhin schon angesprochen habe. So ist beispielsweise die gesundheitliche Versorgung von Obdachlosen, von Asylbewerbern oder Flüchtlingen definitiv schlechter als die von anderen Gruppen in der Gesellschaft. Auf diese Mängel aufmerksam zu machen und Lösungen zu zeigen, wie hier geholfen werden kann, ist ein Anliegen, das wir mit der Kampagne verfolgen.
BLL: Die Menschen werden älter und pflegebedürftiger, gibt es genügend Pflegepersonal?
Neher: Der Fachkräftemangel, der in verschiedenen Bereichen in Deutschland zu beobachten ist, gilt auch für den Bereich der Altenhilfe. Es gibt Regionen in Deutschland, z.B. in München aber auch in einigen Bundesländern im Norden und Osten der Republik, in denen es sehr schwierig ist, Fachkräfte für diesen Arbeitsbereich zugewinnen. Die Gründe für diese Entwicklung sind vielfältig. Zum einen spielt hier sicher die demografische Entwicklung eine Rolle, aber auch die Situation im Arbeitsalltag in der Pflege. Die Arbeit ist körperlich anstrengend, die Entlohnung nicht übermäßig hoch, die Erwartungen an die Pflegekräfte aber überaus groß. Wie man diesem Mangel begegnen kann, daran arbeitet nicht nur die Politik sondern auch wir: so haben wir gemeinsam mit anderen Verbänden eine Reform der Pflegeausbildung vorgeschlagen und unterstützen unsere Mitgliedseinrichtungen konzeptionell dabei, Mitarbeitenden zu finden und auch länger in diesem Berufsfeld zu halten.
BLL: Die Demenzkranken zu betreuen ist aufwendig. Wie können die Bedarfe von Demenzkranken berücksichtigt werden?
Neher: Um Menschen mit Demenzerkrankung gut betreuen zu können, brauchen wir ein anderes Verständnis von Pflegebedürftigkeit. Bei dieser Gruppe geht es nicht in erster Linie um eine gute körperliche Versorgung sondern um eine angemessene Begleitung im Alltag, die zum Beispiel dem Bewegungsdrang oder der Orientierungslosigkeit dieser Menschen entspricht. Schon lange fordern wir deswegen endlich die Umsetzung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs, der diesen Fragen Rechnung trägt. Die vom Bundesgesundheitsminister vorgelegte Pflegereform geht zwar in die richtige Richtung, aber die Schritte, die vorgeschlagen werden, sind noch zu klein. Die Umsetzung des Pflegebedürftigkeitsbegriffes steht nach wie vor aus.
Danke für das Interview
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