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Mixt man diese Komponenten, bringt man das Herz der Flamen für den Radsport, mit allem was dazu gehört, auf den Punkt. Mehr noch, in keiner anderen Region Europas begegnet man Radsport, Gastlichkeit und Brauchtum auf solch frappanter Weise, wenn sich in Flandern die Räder drehen. Vor allem dann, wenn ab März die Frühjahrsklassiker, mit als Perle die Ronde van Vlaanderen, ‚top of the bill‘ sind. Dann nehmen in den lebendigen Dorfkneipen, den sogenannten Supportercafés, die Favoritendiskussionen an der Theke kein Ende. Die immer wieder auflebenden Dopingstreitfragen sind hierbei nur lästige Nebensache.
Wenn dann bei der Flandern-Rundfahrt Seriensieger Tom Boonen als Superfavorit gehandelt, der Bierumsatz steigt und gefeiert wird wie zu Pieter Breughel’s Zeiten, dann befindet man sich mitten im Geschehen. In Flandern wird hart gearbeitet. Die Flamen sind zudem sportbegeistert. Und noch etwas ganz bemerkenswertes charakterisiert die flämische Eigenart: Die Flamen verstehen es auch, die Gemütlichkeit zu pflegen. Flamen sind echte Lebensgenießer.
Ronde van Vlaanderen – Der Mythos lebt
Die Ronde ist weit mehr als nur ein Radrennen über knapp 260 Kilometer. Seit 1913, als die Flandern-Rundfahrt erstmals ausgetragen wurde, entwickelte sie sich zu einem gesellschaftlichen Ereignis, welches das Interesse für Fußball-Europacupfinale oder Formel 1-GP weit übersteigt. Für viele ist es der D-Day schlechthin. Ein Faktum, das auch die Wirtschaft sowie die Tourismusbranche und vor allem die Bierindustrie und Gastronomie beflügelt.
Die Flandernrundfahrt ist heuer 100 Jahre alt
Am 25. Mai 1913 organisierte Radsportjournalist Karel van Wijnendaele die allererste Ronde van Vlaanderen und sie ist somit einer der ältesten Radklassiker der Welt. Für die Ouvertüre über 324 stramme Kilometer und über urtümliche Straßen, meldeten sich 37 mutige Teilnehmer. Im Ziel in Mariakerke hatte der Sieger Paul Deman, der ein Jahr davor bester Einzelfahrer bei der Tour de France war, die schnellsten Beine einer sechs Mann starken Spitzengruppe.
Zwischen 1915 und 1918 wurde Flanderns Edelklassiker kriegsbedingt stillgesetzt. Nicht so während des Zweiten Weltkrieges, als es den Initiatoren trotz Restriktionen der deutschen Besatzer gelang, die Ronde im radsportverrückten Flandern ohne Unterbrechung durchzuführen.
Flandriens – Die Helden wurden geehrt
In der Periode nach dem Ersten Weltkrieg entstand in der Rennsportszene die Sage der sogenannten Flandriens, welche den Typus des flämischen Radsportlers als furchtlosen Kämpfer kennzeichnete. Es waren hauptsächlich Bauernsöhne, die bei den Rennen in Flandern um Ehre, Sieg und Prämien kämpften und zusätzlich als Saisonarbeiter in Nordfrankreich für den Lebensunterhalt ihrer Familien sorgten. Vor allem bei Regen, Kälte oder Wind fühlten sich die Flandriens besonders in ihrem Element und spiegelten somit Zeitgeschichte perfekt wider.
Der erste Fahrer, der dieses Gütezeichen bekam, war Henri „Ritten“ Van Lerberghe, dem Zweitplatzierten von 1914 und überragenden Sieger von 1919. Van Lerberghes Vorsprung vor seinen nächsten Verfolgern war damals so groß, dass er sich auf der Radrennbahn von Gentbrügge locker ausrollen konnte und den Zuschauern zurief, dass es sich für sie nicht mehr lohnen würde, auf die restlichen Fahrer zu warten.
Passion Radsport in Flandern
„Bei Sonnenschein strömen eine Million neugierige Zuschauer an die Rennstrecke. Wenn es regnet doppelt so viele“, so der Österreichische Radprofi Bernhard Eisel verschmitzt. Der routinierte Rennprofi meinte damit die extrasportive Stimmung, wenn Regen und Wind die Ronde von Vlaanderen noch schwerer und spannender macht als sie schon ist“ Dieses Zitat drückt sehr gut aus wie im positiven Sinne „radsportverrückt“ die Flamen sind und welche Rolle dieser Sport für Ihre Kultur spielt.
Was ist ein Supportercafé?
Radsportkneipen haben in Flandern eine große und lange Tradition. Sie sind das schlagende Herz des Radsports. Darunter viele die von ehemaligen großen und kleinen Radstars eröffnet wurden. Andere dienten als Supporterbasis für arrivierte Profis oder angehende Talente sowie auch für Radtouristik-Vereinigungen, sogenannte WTC-Clubs, die hier hauptsächlich sonntags ihre anstrengenden Ausfahrten in fröhlicher Runde ausklingen lassen. Oft sind es auch nur mit Postern und Fotos bunt dekorierte Kneipen, wo am Tresen über Radsport diskutiert wird oder wo vor der Eingangstür gelegentlich das eine oder andere Kirmesrennen beginnt oder endet.
Zu den bekanntesten zählen: ‚Café Koppenberg’ in Melden, genannt nach dem nahegelegenen Koppenberg und wo im Interieur die Zeit förmlich stehen geblieben scheint.
Ferner: Café ’t Jagerhoekje‘ in Nederbrakel, das über viele Jahre die munteren Fans von Klassikerstar Peter Van Petegem beheimatete. In ‚Brasserie OTourmalet‘ in Gistel versammelten sich einst die Anhänger vom dreifachen Ronde-Sieger und Weltmeister Johan Museeuw. Die an einer Kreuzung unübersehbare Brasserie wurde von Sylvère Maes nach dessen Sieg bei der Tour de France 1936 eröffnet. ‚Schlaue Birne‘ wie Maes auch genannt wurde, nannte seine Kneipe nach dem Pyrenäenriesen Tourmalet, wo er seinerzeit seinen großartigen Erfolg zementierte. Ein weiterer Champion, Thor Hushovd aus Norwegen genießt in ‚Café St. Christophe‘ in Ieper bei seinen flämischen Fans enorm viel moralische Unterstützung, was beweist, dass die Radsportbegeisterung in Flandern grenzenlos ist.
Glückselige Szenerie – rund um die Radrennen
Immer wieder überrascht die flandrische Radsportszene mit Cross- und MTB-Rennen, die zum Amüsement der Gäste und Profit der Wirte mitten durch Cafés und vorbei am Tresen stattfinden. Legendär hierzu war ‚Café Maxens‘ in Baardegem, unweit der Karnevalshochburg Aalst, wo sogar Fernsehteams aus Holland, Frankreich und Skandinavien anreisten, um über diese epochale Gaudi zu berichten. Leider wurde die Kultkneipe vor wenigen Jahren durch ein Feuer zerstört. Inzwischen übernahm der Patron vom nahegelegenen ‚Ons Huis‘ das Zepter. Jeweils im Herbst aktiviert er sein Café mit einem Cross- und MTB-Rennen mitten durch seine biervernebelte Kneipe und dem angrenzenden Festsaal. Und ein Ende dieses grotesken Spektakels in Baardegem ist nicht in Sicht.
Flämische Radsportmuseen – ein Blick in die Geschichte
In keiner anderen Region findet man mehr Radsportmuseen als in Flandern. Die bekanntesten sind: Nationaal Wielermuseum / Wiemu in Roeselare, das Centrum Ronde van Vlaanderen / CRVV in Oudenaarde sowie das Sportimonium in Hofstade nahe Mechelen, gelegen im BLOSO-Domein.
Letzteres ist hauptsächlich dem Olympischen Sport gewidmet. Der große Familien- und Freizeitpark mit Badesee und feinem Sandstrand, besser bekannt als ‚Hofstade Plage’, erlebte vor allem in den Fünfziger Jahren goldene Zeiten. In Flandern gibt es auch unzählige Privatmuseen von unermüdlichen Radsportsammlern, die auf Anfrage gerne ihre Pforten für einen Besuch öffnen. Wie zum Beispiel Eddy Verbust in De Pinte, nahe Gent.
Wo Touristen und die flämische Radsportszene schlemmen
In Flandern gibt es zahlreiche Restaurants, die nicht nur wegen ihrer traditionellen flämischen Küche besonders geschätzt werden, sondern vor allem auch wegen dem reichlich dekorierten Ambiente im Zeichen des Radsports. Wie zum Beispiel Mie Katoen in Affligem, das für viele als eines der schönsten Radsport-Restaurants Flanderns gilt. Restaurantchef Jhony engagierte sich Ende der Achtziger Jahre zuerst als Direktor des kleinen Boccaccio-Rennteams. Seine drittklassigen Profis kurbelten sich aus Dankbarkeit vor allem bei der Flandern-Rundfahrt die Seele aus dem Körper und verschafften dem cleveren Jhony dafür mächtig viel mediale Aufmerksamkeit.
Im Gästebuch stehen unter anderem Weltradsportler Eddy Merckx, Tour de France-Sieger Carlos Sastre, Bergkönig Lucien Van Impe, Cross-Weltmeister Sven Nys, Italostar Andrea Tafi sowie Klassikerspezialist Roger De Vlaeminck. Mie Katoen wird auch gerne von Gästen aus der Politik, Medien- und Fußballwelt frequentiert.
Auch In de Zon in De Kleite-Heuvelland, das von Dirk Ghyselinck, einem ehemaligen Rennprofi geführt wird, steht der Radsport hoch im Kurs. Vor allem am Tag des Rennklassikers Gent-Wevelgem, welcher vor der Restauranttür vorbei rauscht, sollte man früh aufstehen, um rechtzeitig einen passenden Tisch zu reservieren. Zu den Stammgästen zählen zum Beispiel die früheren Weltmeister Freddy Maertens, Benoni Beheyt und Oscar Freire. Auch das Teammanagement von Quick Step findet des Öfteren den Weg in Dirks ‚Sonne‘.
Kennen Sie das Eddy Merckx-Special
Belgier und ganz speziell die Flamen essen gerne traditionelle Gerichte. Tendenz steigend, weshalb sich zunehmend Restaurants an den Geschmack ihrer Kundschaft orientieren. Hierzu gehören im Spätsommer Miesmuscheln in allen Variationen. Chicorée mit Käse und Schinken überbacken ist für viele im Winter der Hit. Doch das Volksgericht par excellence ist zweifelsfrei mit Bier gekochtes Stoofvlees, auch als Karbonade oder flämisches Gulasch bekannt. Stoofvlees wird bevorzugt mit Pommes Frites serviert. Dazu gehört, wie kann es anders sein, ein süffiges dunkles Trappisten- oder Abteibier.
Es ist nicht verwunderlich, wenn auch Radsportler sich gerne mit einer Portion Stoofvlees und knackigen Fritjes nach einem krachenden Sieg oder strammen Training stärken. Egal wie es die strengen Sporternährungsregeln auslegen. Sogar im fernen Kapstadt offeriert ein belgischer Gastronom seinen Gästen ein ‚Eddy Merckx-Special‘, die südafrikanische Variante von Stoofvlees mit Fritten.
Die begehrten flämischen Radsportlerbiere sollten Sie probieren
Bekanntlich gehören belgische Biere zu den sortenreichsten der Welt. Ein Faktum, das auch in der Radszene bestens bekannt ist. Für zahlreiche Pedaleure gibt es nach einer schweißtreibenden Trainingstour nichts genüsslicheres, als ein oder mehrere ‚Pintjes‘ Gerstensaft. Je nach Geschmacksrichtung steht hierbei das dunkle Westmalle ganz oben auf ihrer Hitliste. Das süffige Bier des Trappistenordens aus Westmalle hat innerhalb des Radsportpelotons zusätzlich einen besonderen Ruf als Stimmungsmacher. Der frühere Superstar des belgischen Radsports und dreifacher Straßenweltmeister Rik Van Steenbergen zum Beispiel ließ es sich in seinen Rentnerjahren bei den ‚Patern‘ von Westmalle geregelt gut gehen.
Ebenso beliebt ist das braune Abteibier Leffe, welches sogar in den Weltmetropolen wie Montreal oder New York besonders gefragt ist. Als absoluter Durstlöscher im Hochsommer und für zwischendurch genießt Lindemans Kriek unter belgischen Radsportfreunden ebenfalls extrem großer Beliebtheit. Kwaremont, genannt nach einer der schönsten und spannendsten ‚Hellingen‘ Flanderns und wo es vor allem während der Flandern-Rundfahrt heiß zugeht, wird zwar nicht überall angeboten, aber garantiert in Kwaremont. Alleine schon deshalb lohnt es sich, in diesem sagenumwobenen Künstlerdorf eine Pause einzulegen.
Prominente Rennradrouten in Flandern – für jeden Hobbyradfahrer
Um das radsportverrückte Flandern näher kennen zu lernen, gibt es nichts Schöneres, als mit dem Fahrrad alleine oder in der Gruppe die legendären Passagen der flandrischen Rennklassiker und den ebenso berühmten ‚Hellingen‘ zu bezwingen. Hierzu bieten die regionalen Tourismusbüros unzählige themenbezogene und durchgehend gekennzeichnete Radrouten an.
Die bekannteste ist die Ronde van Vlaanderen-Route, die es in drei verschiedene Distanzen gibt. Angefangen mit 72 km (orange Runde), 80 km (blau) sowie 114 km (grün). Start und Ziel ist jeweils vor dem Flandern-Rundfahrt-Zentrum / CRVV in Oudenaarde. Für die längste Variante über solch mythische Anstiege wie Berendries oder ‚Muur‘ in Geraardsbergen sollte man vorab aber konditionell gut vorbereitet sein. Ein oder mehrere Zwischenstopps in einer der zahlreichen Kneipen entlang der Strecken, ist beinahe Pflicht. Hauptsächlich Radtouristiker und Naturliebhaber werden bei der Eddy Merckx-Route, die es sowohl in Flämisch Brabant (37km) als auch in Ostflandern (46km) gibt, ihren großen Spaß haben. Wegen der zahlreichen Fernsichten und moderaten Anstiege sind beide Radrouten auch für weniger geübte Fahrradfahrer genau das Richtige.
Auf den Spuren eines weiteren namhaften Champion ist die Rik Van Looy-Route in der Provinz Antwerpen lokalisiert. Es sind hauptsächlich Hobbyfahrer, welche die einstige Trainingsstrecke von Rik-II wie Van Looy in Anlehnung zu seinem einstigen großen Rivalen Rik Van Steenbergen (Rik I) auch genannt wurde, frequentieren. Die 84 km lange Route beginnt und endet in Van Looys Wohnort Herentals. Die Rik Van Looy-Route ist überdies Teil eines klug ausgetüftelten Knotenpunkt-Radwegesystems.
Der Klassiker – die Ronde der Hobbyfahrer
Guttrainierte Hobbyradler freuen sich schon seit Monaten, dass jeweils am Vortag der Flandern-Rundfahrt auch sie von der einmaligen Ronde-Atmosphäre schnuppern dürfen. Hier finden Sie alle Termine für Hobbyradrennen.
Der ‚Ronde van Vlaanderen-Cyclo‘ über knapp 250 Kilometer ist ein hartes Stück Kurbelarbeit. Weniger gut in Trab kommende Freizeitradler, das ist die Mehrzahl der rund 16.000 Teilnehmer, lockt die verkürzte Strecke über knapp 120 Kilometer, welche das Finale über die teils ruppigen Steigungen und kernigen Pavépassagen der Flämischen Ardennen ziert. Nach der Zieldurchfahrt in Oudenaarde erwartet die Teilnehmer und ihre Supporter ein veritables ‚Après-Bike‘ mit Interviews, Musik, Animationen und eine gesellige Bar.
Um sich nicht bei der Cyclo- oder Retro-Ronde im Mainstream der knapp zwanzigtausend Teilnehmer zu verlieren, beabsichtigt der Tourismusverband von Ostflandern mit einem neuartigen Erlebnisprojekt ganzjährig, allen Besuchern auf dem Netzwerk der sogenannten Ronde van Vlaanderen-Route die persönliche Flandern-Rundfahrt zu ermöglichen. Darunter ein permanent installiertes Zeitmessungssystem, wo an den berühmt berüchtigten ‚Hellingen‘ der Flämischen Ardennen die persönlichen Leistungen mittels Chip bemessen werden können. Detaillierte Informationen vermittelt der Tourismusverband von Ostflandern.
Hier noch einige Tipps und Links für Übernachtungen, Radverleih und Radveranstaltungen, Flüge und Pauschalangebote für Ihre Flandern Reise.
http://www.flandern.at/entdecken/typisch_flandern/radkultur/index.jsp
http://www.holidaycheck.de/region-Hotelangebote_Flandern-ch_ra-rid_439.html
Alle Fotos: www.milo-profi.com
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