Mensch hat unvollkommene visuelle Wahrnehmung

Gehirn bildet wegen Selbstschutz oft Mittelwert aus Sehinformationen.

Beim Sehvorgang aufgenommene Informationen werden regelmäßig mit älteren Wahrnehmungen vermischt und gehen insbesondere bei sehr rascher Abfolge teilweise verloren. Das hat das zum Nationalen Forschungsrat CNR gehörende Istituto di Neuroscienze in Zusammenarbeit mit der Universität Florenz herausgefunden.

Gefestigte Infos vorziehen

„Im Unterschied zum Film ist unsere Umgebung stabil und beschert uns deshalb nur wenig Unvorhersehbares“, erklärt David Burr von der Psychologischen Fakultät der Universität Florenz. Es sei so, als ob das Gehirn sich darauf eingestellt habe , dass es keine abrupten Veränderungen gibt und es beim Auftauchen einer neuen, nicht 100-prozentig zuverlässigen Information lieber auf ältere, gefestigte Informationen zurückgreift.

„Der Grund für dieses Verhalten liegt in der Unvolkommenheit der menschlichen Sinnesorgane, die von Fluktuationen und Hintergrundgeräuschen geprägt sind“, bestätigt Mitautor Marco Cicchini. Das Wahrnehmungssystem des Menschen sei deshalb bestrebt, einander ähnliche Informationen miteinander zu kombinieren und daraus eine Art Mittelwert zu konstruieren. „Es verzichtet gewissermaßen auf die Präzision der einzelnen Informationen zugunsten ihrer Kontinuität und Stabilität“, so seine Schlussfolgerung.

Geschärfter Blick elementar

Im Laufe der Laborversuche stellten die Fachleute fest, dass die Wahrnehmung nicht nur von der Intensität der aktuellen, sondern auch von der vorangehenden Sehstimulanzen abhängt. So wurden aus 30 aktuell und zuvor 20 gesichteten Gegenständen schließlich 25 wahrgenommene Gegenstände und umgekehrt aus aktuell 30, bei zuvor 40 gesichteten Gegenständen, 35 effektiv wahrgenommene Dinge. Das Gehirn bildet einen Mittelwert zwischen den momentanen und den bis zu 15 Sekunden davor aufgenommenen Informationen.

„Ohne diese zeitliche Integration von Wahrnehmungen wäre der Mensch in extrem sensibler und konfuser Weise visuellen Fluktuationen aus Bewegungen, Schatten und anderen Faktoren ausgesetzt“, so Burr abschließend. Gegenstände und Gesichter würden sich von einem Moment auf den anderen unterschiedlich und für die Wahrnehmung als äußerst verwirrend darstellen. Einzelheiten der Studie sind in der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Science nachzulesen.

pte

Foto: pixelio.de, Olaf Barth

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