Mit Matthias Strolz im Gespräch vor seinem Rückzug

Wir sprachen mit dem scheidenden NEOS Klubobmann Matthias Strolz über die Positionierung der NEOS, über die politische Arbeit und über anstehende Projekte – und natürlich über die Sorgen vieler Menschen ab 50 und deren Lösungsansätze.

BLL: Wie geht es einer liberalen Bürger-Innen Bewegung wie den NEOS zwischen Sozialisten, Gewerkschaften, Unternehmern, Grünen und rechten Oppositionen? Ist da noch genügend Spielraum (Arbeitsraum) für eine politische Bürgerbewegung?

Strolz: Gerade zwischen den Regierungsparteien, Ländern, Gewerkschaften und Kammern, die seit Jahrzehnten eigene Agenden verfolgen und sich gegenseitig bei notwendigen Reformen blockieren, braucht es den frischen Wind unserer Bewegung. Die Menschen in Österreich haben genug vom Stillstand und der Reformunwilligkeit der Altparteien. Genau aus diesem Stillstand heraus haben sich NEOS gegründet, Bürgerinnen und Bürger, die beschlossen haben, nicht mehr länger auf den Zuschauerbänken zu sitzen, sondern aufzustehen und Politik zu machen, um für Veränderung in Österreich mitzuarbeiten.

BLL: Können Sie uns die mittelfristigen Ziele der NEOS, Ihre Wünsche und Forderungen an die derzeitige Regierung unseren Lesern etwas näher vorstellen.

Strolz: Wir NEOS arbeiten für einen neuen politischen Stil, der die Bürgerinnen und Bürger in den Mittelpunkt stellt. Wir sehen seit Jahren eine Politik der Selbstinszenierung, echte politische Arbeit wird von parteipolitischem Hickhack überlagert. Das wollen wir ändern. Wir wollen für die Bürgerinnen und Bürger ihre Chancen und Möglichkeiten aufzeigen. Und dafür wollen wir den Staat so aufstellen, dass er den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern nicht unnötig Geld aus der Tasche zieht, dass Unternehmerinnen und Unternehmer unterstützt werden durch weniger Bürokratie und bestmögliche Standortpolitik – und dass gleichzeitig dort investiert wird, wo es notwendig ist: in der Bildung.

BLL: Nach den jüngsten Ereignissen, wann denken Sie gibt es Neuwahlen? Zum regulären Termin oder schon im Herbst 2017?

Strolz: Diese Regierung ist nur noch mit sich selbst beschäftigt und bringt keine wichtigen Reformen – wie etwa eine umfassende Schulautonomie oder die Abschaffung der Kalten Progression – mehr hin. SPÖ und ÖVP können nicht mehr mit einander. Wann aber gewählt wird, lässt sich trotzdem nicht vorhersagen. Wir sind jedenfalls für jeden möglichen Termin vorbereitet.

BLL: Sie kritisieren die besorgniserregende Entwicklung des Österreichischen Pensionssystems. Wollen Sie den Menschen ihre Pension kürzen oder was wollen Sie?

Strolz: Wir wollen sicher nicht generell die Pensionen kürzen. Aber wir wollen Gerechtigkeit. Und deshalb sind wir der Meinung, dass die Menschen, die Pensionen von 8000 Euro und mehr monatlich erhalten, auch ihren Beitrag leisten müssen. Damit wir dann eben nicht in einigen Jahren vor der Situation stehen, dass das Pensionssystem gegen die Wand gefahren ist. Mit dem Kürzen von Luxuspensionen werden wir das Pensionssystem aber nicht reformieren. Wir brauchen eine neue, enkelfitte, generationengerechte Lösung für das Pensionssystem. Zuallererst sind daher die verschiedenen Pensionssysteme zu harmonisieren und teure Sonderrechte im öffentlichen Bereich abzuschaffen, mit dem Ergebnis eines gemeinsamen und gleichen Pensionsrechts für alle Österreicher. Des Weiteren muss das Frauenpensionsalter rascher an jenes der Männer angeglichen werden. Als dritte Maßnahme fordern NEOS, dass die steigende Lebenserwartung im Pensionssystem automatisch Niederschlag findet. Wir werden einen Teil unserer zusätzlichen Lebensspanne arbeitend verbringen, wenn auch nicht notwendigerweise in Vollzeit-Arbeit. Wir Österreicher müssen uns davon verabschieden, am Zenit unserer Karriere mit Bestbezug aus dem Erwerbsleben auszuscheiden. Das kann die Einführung einer echten Teilpension erleichtern: Man ruft einen Teil der Pension (mit Abschlägen) früher ab, arbeitet aber in geringerem Ausmaß noch einige Jahre weiter und bekommt den Rest der Pension (mit Zuschlägen) erst dann.

Zur besseren Vorsorgeplanung will NEOS eine Erweiterung des „Pensionskontos“, welches auch Ansprüche aus Vorsorgekassen, Pensionskassen und staatlich geförderter Zukunftsvorsorge einbezieht. So kann jeder sehen, was er wirklich bekommen wird und entsprechend voraus planen. Vorbild sollte hier Schweden sein. Einmal pro Jahr bekommt dort jeder Bürger eine Pensions-Mitteilung anhand derer jede/r Anspruchsberechtigte/r ablesen kann wie hoch die Pension bei unterschiedlichen Antrittszeitpunkten ausfallen wird. Durch diese Information wird nicht nur Sicherheit und Transparenz geschaffen, sondern auch ganz ohne Verbote und Gesetze Anreiz und Bewusstsein für die Bedeutung eines späteren Pensionsantrittsalters geschaffen.

BLL: Wie sollte ihrer Meinung nach ein Pensionsmodell für jüngere Menschen in Österreich aussehen und was wollen Sie gegen “unanständige Pensionen“ (©Sozialexperte Bernd Marin) unternehmen. Gab es doch erst jüngst im Parlament eine Abstimmung und eine Reduzierung von 0,6 % bei einer Pension von 20.000,- ist doch ein Hohn für einen Mindestpensionsempfänger der 40 Jahre selbstständig war. Was fordern Sie hier?

Strolz: Für uns ist klar, dass wir ein einziges Pensionssystem brauchen, das für alle gilt. Es darf keine Privilegien von einzelnen auf Kosten aller anderen Pensionist_innen mehr geben, wie es im derzeitigen System noch immer der Fall ist. Die minimale Kürzung von Luxuspensionen durch das sogenannte Sonderpensionenbegrenzungsgesetz haben wir deshalb kritisiert, weil die Kürzungen nicht weit genug gegangen sind. Wir haben dazu bereits neue Initiativen gestartet, dass dieses Gesetz verschärft wird und wir schon früher mehr Pensionsgerechtigkeit schaffen.

BLL: Kommen wir zum Thema, Familie, Jugend und Älterwerden in Österreich. Wie schaut ihrer Meinung nach ein ideales Zusammenleben zwischen Jugend und Älteren – mit allen ihren Sorgen, wie Pflege, weniger Einkommen, Steigerung der Lebenshaltungskosten, aus?

Strolz: Unsere Vision für das Zusammenleben der Generationen in Österreich ist: Wir haben ein funktionierendes Pensionssystem, auf das sich auch zukünftige Generationen verlassen können. Wir wirtschaften nachhaltig und ökologisch, sodass wir unseren Kindern und Enkelkindern weder einen Schuldenberg hinterlassen noch globale Umweltprobleme verschlimmern.

BLL: Laut einer Studie der Deutsche Leibrenten AG unterstützen 37% der Pensionisten ihre jüngeren Familienmitglieder finanziell. Ist das nicht ein Warnsignal, das junge Menschen nicht genug verdienen und Sorge haben ihre Miete und das tägliche Essen zu bestreiten? Auch ziehen viele junge Menschen wieder bei Ihren Eltern ein. Wer zahlt dann in das Pensionssystem? Welche Lösung sehen Sie hier?

Strolz: Das ist tatsächlich ein großes Problem: Der Staat muss immer mehr zuschießen, um das derzeitige Pensionssystem zu finanzieren. Neben unserem Konzept zur Reform des Pensionssystems bedarf es daher auch Investitionen in Bildung, einer Reform des Bildungssystems, Entlastung für Unternehmer_innen und einer Reform des Arbeitsrechts, um jungen Menschen auf dem Arbeitsmarkt Chancen zu geben – und sie wiederum in eine Position zu bringen, in der sie ihren Beitrag zum Pensionssystem leisten können.

BLL: Viele Lesermeinungen erreichen uns, dass sie mit 56 Jahren gekündigt wurden und lt. AMS keine Chancen auf eine Arbeitsstelle haben. Die Statistik der älteren Arbeitslosen bestätigt dies auch. Was kann man hier machen um diesen Trend umzukehren?

Strolz: Grundsätzlich gibt es mehrere Gründe weshalb Unternehmen Ältere nicht länger beschäftigen wollen. Gerade im Bereich von Mittel- und Gutqualifizierten ist das Senioritätsprinzip das Problem: Ältere müssen schon aufgrund der Kollektivverträge viel mehr verdienen und sind also für Unternehmen also teurer als Jüngere. Dadurch haben sie natürlich einen Nachteil gegenüber Jüngeren. Für schlechter Qualifizierte liegt das Problem auch oft an gesundheitlichen Einschränkungen. Hier müsste mehr im Bereich der Prävention und besserer Umschulungsmaßnahmen unternommen werden. Generell müssen wir unser Augenmerk verstärkt auf die Qualifizierung lenken, um Langzeitarbeitslose für die zahlreichen Jobs fit zu machen. Gleichzeitig erleben wir auch, dass die Beschäftigungsmöglichkeiten für Ältere nicht an deren Bedürfnissen vorbei gehen und völlig unflexibel sind. Wir fordern deshalb eine richtige Teilpension, statt der gegenwärtig komplizierten und viel zu bürokratischen Möglichkeiten.

BLL: Warum wird ihrer Meinung nach die Erfahrung der älteren Menschen am Arbeitsplatz von Unternehmen und Behörden so wenig genutzt? Interessant ist auch die Tatsache, dass der Großteil der Frühpensionen aus den Ministerien, der ÖBB, den Sozialversicherungen und staatsnahen Organisationen kommen. Werden dort Kosten zu Lasten der Allgemeinheit eingespart?

Strolz: Der öffentliche und staatsnahe Bereich sind tatsächlich kein Vorbild für die Beschäftigung Älterer. Wir konnten durch verschiedene parlamentarische Anfragen aufzeigen, dass beispielsweise bei der Post Pensionskosten ausgelagert wurden und es Frühpensionierungswellen auf Kosten der Allgemeinheit gab.

BLL: Abschließend wollen wir sie noch fragen, wie Sie die Aufbruchstimmung und den Reformwillen in der Bevölkerung nutzen werden und welchen Prozentsatz wollen Sie bei der nächsten Wahl erreichen?

Strolz: Wir sehen in Österreich aber auch in Europa einen sehr starken Veränderungswillen. In Österreich gibt es zwei Parteien, die für Veränderung stehen: einerseits eine neo-nationalistische Kraft, die auf Abschottung setzt, andererseits eine Bürger_innenbewegung, die Österreich als ein weltoffenes Land im Herzen Europas sieht, einer liberalen Grundhaltung verpflichtet und zu Reformen bereit. Klar ist für uns, dass wir nach der nächsten Wahl mehr Verantwortung übernehmen wollen – und dafür sind wir darauf angewiesen, dass uns der Wähler, die Wählerin einen größeren Hebel in die Hand gibt als wir jetzt zur Verfügung haben.

Vielen Dank für das Gespräch!

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1 Kommentar

  1. Bravo Neos, wir benötigen in Österreich eine Erneuerung. Wie die aussehen kann speziell nach den neuesten Entwicklungen weiß ich auch nicht.

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