Studien-Neuauswertung zeigt zwei völlig andere Persönlichkeiten.
Männer und Frauen unterscheiden sich in ihrer Persönlichkeit deutlich stärker als bisher angenommen wurde. Das zeigen Forscher der Universitäten Turin und Manchester in der Zeitschrift „Plos One“. Sie unterzogen frühere Studien, die eine hohe Übereinstimmung der Geschlechter ergeben hatten, einer genaueren Überprüfung und konnten sie widerlegen. „Mars und Venus“ teilen in ihrer gesamten Persönlichkeit bloß zehn Prozent, so ihre Erkenntnis, die in der Genderdebatte wohl noch einigen Staub aufwirbeln wird.
Genauere Analyse zeigt Unterschiede
Konkret nahmen die Forscher um Marco Del Giudice Daten aus dem Jahr 1993 erneut unter die Lupe, bei denen 10.000 Probanden auf ihre Selbsteinschätzung befragt worden waren. Eine Auswertung von 2005 hatte daraus die fünf Hauptdimensionen der Persönlichkeitspsychologie untersucht: Neurotizismus, Extraversion, Offenheit für Erfahrungen, Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit. Die Übereinstimmung der Geschlechter betrug damals 78 Prozent – was die damalige Studienautorin Janet Hyde zur Grundlage ihrer „Gender similarities hypothesis“ machte, die später oft zitiert wurde.
Der Nachteil dieser früheren Auswertung: In den bloß fünf Persönlichkeitsgruppen sind sehr unterschiedliche Eigenschaften vereint, die sich rechnerisch teils gegenseitig aufheben und somit das Persönlichkeitsrelief verwischen. Nun analysierte Del Giudice die Daten von 1993 in 15 statt fünf Kategorien – und lieferte ein komplett anderes Bild: Frauen besitzen signifikant mehr Wärme und Zuneigung, bauen eher Vertrauen auf, reagieren emotionaler und sind sensibler und fürsorglicher als Männer, die ihrerseits emotional stabiler, dominanter, reservierter und wachsamer sind und dabei mehr auf Nützlichkeit und Regeln achten.
Tabubruch für Genderdebatte
90 Prozent der Eigenschaften sind geschlechtstypisch, während sich die verbleibenden zehn Prozent der Gemeinsamkeiten etwa auf Perfektionismus oder Lebendigkeit beziehen. Ein Ergebnis, das Fachexperten nicht überrascht. „Besonders in den 70er- und 80er-Jahren führte die Wissenschaft alle Geschlechtsunterschiede auf Erziehung und Gesellschaft zurück. Seit zehn Jahren gibt es jedoch eine Trendwende weg von dieser ideologischen Prägung“, berichtet der Psychiater Raphael Bonelli von der Sigmund-Freud-Privatuniversität Wien im Gespräch.
Den ersten Tabubruch hat im Jahr 2000 Simon Baron-Cohen von der Universität Cambridge geliefert. In Experimenten mit Neugeborenen zeigte er, dass Frauen von Geburt an eindeutig empathischer, Männer hingegen systematischer veranlagt sind. In kognitiven Leistungstests sind Frauen verbal klar überlegen, während Männer bei der räumlichen Vorstellung die Nase vorne haben. „Dass sich Unterschiede auch in Merkmalen der Persönlichkeit zeigen, überrascht nicht. Sehr wahrscheinlich liefern auch zahlreiche andere Studien bei kritischer Durchleuchtung dasselbe Ergebnis“, vermutet Bonelli.
Evolution spielt mit
Aus Sicht der Anthropologie und Evolution sind die aktuellen Resultate laut dem Wiener Psychiater keine Überraschung. „Die Persönlichkeit der Frau hilft ihr dabei, Familie und Partnerschaft aufzubauen und Kinder zu erziehen, während Männer die evolutionsbiologisch besseren Voraussetzungen für Nesterrichtung, Schutz vor Feinden und Essensbeschaffung mitbringen.“ Nicht nur der Geist, sondern auch der Körper bestimmt das psychische Erleben mit, betont der Experte.
pte
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