Spezielles Training der Astronauten auf der Raumstation ISS
Als erster deutscher Astronaut der europäischen Weltraumorganisation ESA wird Matthias Maurer in einer Crew Dragon Kapsel mit einer SpaceX Falcon 9-Trägerrakete zur rund 400 Kilometer entfernten Weltraumstation ISS starten. Während seiner knapp sechs Monate langen Mission „Cosmic Kiss“ wird er zwei Experimente durchführen, die von der OHB System AG, ein Tochterunternehmen des Raumfahrtkonzerns OHB SE, für den Weltraumflug qualifiziert wurden: Für das Projekt „EasyMotion“ wird Matthias Maurer mit einem EMS-Anzug (Elektro Muskel Stimulation) trainieren, um möglichst noch effektiver als bisher Muskelschwund entgegenzuwirken. Im Experiment „Bioprint FirstAid“ soll ein innovativer „Handheld-Biodrucker“ oberflächliche Wunden mit einer Biotinte versorgen, die körpereigene Zellen enthält. Der erste Einsatz der Experimente ist für Ende November geplant.
Elektrostimulation für besseres Muskeltraining im Weltraum
Bevor ein Gerät in den Weltraum fliegen darf, muss es auf Herz und Nieren durchgecheckt und für die Nutzung auf der ISS angepasst werden. Auch der EMS-Anzug, mit dem Matthias Maurer in verschiedenen Trainingseinheiten mehrmals je 20 Minuten trainieren wird, hatte sich vorab den prüfenden Augen des OHB-Teams der Astronautischen Raumfahrt zu stellen. „Zunächst wurde das Anzugsystem umgebaut. Das betraf die Steuerungseinheit, die so genannte Powerbox, die Position von einigen Steckern und Funktionen sowie die Integration einer weltraumtauglichen Batterie. Bei der anschließenden Qualifizierung musste sich der Sportanzug dann Umwelt- und Funktionstests stellen“, sagt Dr. Marco Berg, Abteilungsleiter Astronautische Raumfahrt bei OHB.
Das EMS-assistierte Training wird Matthias Maurer insgesamt zwölf Wochen lang an drei Tagen pro Woche absolvieren – insgesamt 36 Einheiten.
„Muskelschwund in der Schwerelosigkeit ist ein bekanntes Thema in der astronautischen Raumfahrt. Ein Astronaut muss etwa zweieinhalb Stunden pro Tag trainieren, um dem vorzubeugen. Mit diesem Experiment gilt es nun herauszufinden, ob diese Trainingszeit durch die Hilfe von EMS verkürzt werden kann“, so Dr. Marco Berg.
Das Trainingssystem EasyMotionSkin und die dazugehörige App wurden von der EMS GmbH aus Leipzig entwickelt, die in diesem Projekt als Unterauftragnehmer von OHB tätig ist. Für die wissenschaftliche Leitung von „EasyMotion“ ist das Zentrum für Weltraummedizin an der Charité – Universitätsmedizin Berlin zuständig.
Der Erfolg des Trainings wird durch ein bei OHB gut bekanntes Gerät überprüft: MyotonPRO. MyotonPRO ein kleines handliches digitales Gerät zur Messung von Muskeltonus (Muskelruhespannung) sowie Muskelsteifigkeit, hatte OHB bereits für die „horizons“-Mission des deutschen ESA-Astronauten Alexander Gerst im Jahr 2018 qualifiziert. MyotonPRO wird neben „EasyMotion“ auch für „Myotones“ auf der ISS für Matthias Maurer genutzt. Die Projekte „EMS“ und „Bioprint FirstAid“ sowie „Myotones“ werden im Auftrag der Deutschen Raumfahrtagentur im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Bonn durchgeführt und vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) finanziert.
Das moderne Pflaster für die Wundversorgung im All
Je weiter weg sich Astronauten von der Erde befinden, desto höher ist das Risiko, dass sie im Falle einer Verletzung nicht rechtzeitig behandelt werden können. Gerade wenn die Menschheit an astronautische Missionen zum Mars denkt, ist eine schnelle Rückkehr zur Erde im Ernstfall nicht möglich. Daher ist es wichtig, dass eine medizinische Infrastruktur vorhanden ist. Ein Gerät zur Behandlung von oberflächlichen und großflächigen Hautverletzungen könnte der „Handheld Bioprinter“ sein.
Das medizinische Gadget versorgt Wunden mit einem körperidentischen „Hautpflaster“ und soll so zu einer besseren und schnelleren Heilung der Verletzung beitragen. Für das „Bioprint FirstAid“ Experiment auf der ISS soll allerdings erstmal kein Test am menschlichen Körper, sondern vielmehr ein Test unter Weltraumbedingungen mit simulierten menschlichen Hautzellen erfolgen. Die Proben werden dann zur Erde gebracht und von einer Arbeitsgruppe der TU Dresden – dem wissenschaftlichen Partner für das Experiment – ausgewertet.
Doch das ist alles noch Zukunftsmusik. Zunächst fiebert das Team der Astronautischen Raumfahrt auf den Start hin. Dr. Marco Berg:
„Es macht uns glücklich und stolz, dass wir bei der Cosmic Kiss Mission mit Matthias Maurer gleich an zwei derart spannenden Experimenten beteiligt sind und hoffen auf eine erfolgreiche Durchführung der beiden Experimente.“
pts
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