Mitte Juni startete in diesem Jahr die Matjessaison.
Der Matjes ist wieder da! Eine Pandemie verändert vieles, sogar den Speiseplan. Viele Menschen denken bewusster wie sie sich ernähren wollen. Das könnte bedeuten – weniger Fleisch, mehr Fisch.
Mit Vorsicht genießen
Dem Hering machen Klimawandel, schlechtes Bestandsmanagement und Überfischung zu schaffen. Der MSC mahnt zu einer nachhaltigen Kehrtwende.
Er ist klein, sehr zart, schmeckt nach Meer und Salz und hilft angeblich auch gegen einen ordentlichen Kater – der Matjes. Jedes Jahr im Frühjahr ziehen große, teils kilometerlange Heringsschwärme zu ihren Laichplätzen. Diese Wanderung läutet den Start der Matjessaison ein, die in diesem Jahr offiziell am 16. Juni begann. Mit dem diesjährigen Saisonstart mahnt der Marine Stewardship Council (MSC) zu einer Kehrtwende in Sachen Nachhaltigkeit. Es gilt insbesondere, das Fischereimanagement für den atlanto-skandischen Hering zu verbessern und dessen Überfischung schnellstmöglich zu stoppen. Das MSC-Siegel haben die Fischer bereits verloren.
Von Matjes bis Bismarck, vom Mittelalter bis heute – Deutschland liebt den Hering
Der Matjes ist ein besonders milder Salzhering, der in einer Salzlake reift und dadurch konserviert wird. Diese Methode war bereits im Mittelalter bekannt: Der eingelegte und dadurch quasi unverderbliche Hering diente schon der Versorgung von Seeleuten, später dann auch als Marschverpflegung für Soldaten. Beliebt ist der aufgrund seines Glanzes auch „Silber des Meeres“ genannte Hering bis heute: Laut Fischinformationszentrum belegt er in Deutschland auf der Rangliste der am meisten verzehrten Fischarten einen stolzen vierten Platz, gleich nach Lachs, Alaska-Seelachs und Thunfisch. Gut 120.000 Tonnen Hering essen wir jedes Jahr. Reichskanzler Otto von Bismarck, dem der ebenfalls beliebte „Bismarck-Hering“ seinen Namen verdankt, soll einst gesagt haben: „Wenn der Hering so teuer wie der Hummer wäre, gälte er mit Sicherheit in den höchsten Kreisen als Delikatesse.“
Der Hering wird Fisch des Jahres 2021
Doch die Delikatesse ist über die Jahre zum Sorgenkind geworden, über seine flächendeckende Überfischung wird kaum gesprochen. Der atlanto-skandische Hering, der in einem Großteil der hierzulande erhältlichen Matjes-Produkte verarbeitet wurde, verlor vergangenen Dezember das MSC-Siegel für nachhaltige Fischerei.
So wie im Jahr zuvor bereits der Ostsee-Hering, dem der Klimawandel zu schaffen macht. Im Falle des atlanto-skandischen Herings spielt der Klimawandel zwar ebenfalls eine Rolle – doch das größte Problem für den Bestand ist hier die Politik: Einige der reichsten Länder der Welt – die EU, Norwegen, Island, Großbritannien, Grönland und Russland – sind gemeinsam für die Bewirtschaftung der Fischbestände im Nordost-Atlantik verantwortlich. Doch sie schaffen es nicht, sich auf eine Fangquotenaufteilung zu einigen, die dem Bestand und den wissenschaftlich empfohlenen Fangmengen gerecht wird. Stattdessen fischt jeder soviel er will – um jeweils rund ein Drittel haben die Fänge 2019 und 2020 die wissenschaftlich empfohlene Menge überschritten.
“Diese Situation ist untragbar”, so Stefanie Kirse, Leiterin des MSC in Deutschland, Österreich und der Schweiz. “Der atlanto-skandische Hering befindet sich im Abwärtstrend und droht nun erstmals, unter den kritischen Referenzwert für eine gesunde Bestandsgröße zu fallen.”
Es ist nicht alles Silber, was glänzt
Die Politik muss handeln, soviel ist gewiss – und zwar möglichst bald. Bis dahin sollten wir VerbraucherInnen besonders genau darauf achten, woher unser Matjes, Bismarkhering oder Rollmops kommt. Und im Zweifel anderen Fischarten aus nachhaltiger Fischerei und gesunden Beständen den Vorzug geben. Das MSC-Siegel ist hierfür ein guter Indikator.
Die Jungfrau unter den Heringen
Der deutsche Name „Matjes“ leitet sich vom niederländischen Begriff „Maatjesharing“ ab, eine Abwandlung von „Maagdenharing“, was so viel wie Mädchen- oder Jungfrauenhering bedeutet. Der Matjes ist nämlich ein „jungfräulicher Hering“, der noch nicht geschlechtsreif ist, aber sich durch die Vorbereitung auf die Fortpflanzung schon reichlich Fettreserven aufgebaut hat. Deswegen ist er besonders mild im Geschmack und hat eine sehr zarte Konsistenz. Der hohe Fettgehalt von mindestens 12 Prozent zeichnet den Matjes aus – aus einem mageren Hering könnte niemals ein guter Matjes werden.
Darum bestimmt die Natur auch stets den Start der Matjessaison, denn wann der Hering den perfekten Fettanteil für einen Matjes erreicht hat, hängt stark vom Nahrungsangebot ab. Traditionell wird der Matjes etwa ab der zweiten Maihälfte bis in den Juli hinein gefangen und die Saison startet in der Regel Mitte Juni. Übrigens: Seine „Jungfräulichkeit“ erreicht der Fisch nach dem Laichen jedes Jahr aufs Neue – ein Hering kann also theoretisch mehrmals zum Matjes werden.
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