Ältere Menschen in Deutschland

Interview mit Herrn Schmidt-Dahlberg, Vorstand des Bundesverbandes – Initiative – 50Plus e. V.

BLL: Welche Möglichkeiten haben Sie den generationenübergreifenden Dialog zu fördern?

Schmidt-Dahlberg: Im Rahmen eines nicht öffentlichen Patenschaftsmodells geben wir Menschen der Generation 50Plus die Möglichkeit, notleidende Mitmenschen ihrer Generation gezielt durch finanzielle Hilfe zu unterstützen. Dabei müssen Spender und Empfänger der Zuwendungen sich nicht persönlich kennen lernen. Aber sie können es. Warum soll nicht im Rahmen einer Patenschaft einen anderen, notleidenden Menschen mit auf einen Ausflug ins Grüne, in den Zoo oder ins Museum oder auf einen Spaziergang nehmen. Worauf es ankommt, ist die persönliche Begegnung und die emotionale Zuwendung.

Wir legen auch Wert darauf, dass ein persönlicher Bezug zu den Verantwortlichen des Bundesverbandes besteht. Hier wird unter Einhaltung datenschutzrechtlicher Bestimmungen und unter Wahrung der Privatsphäre nach vorgegebenen Kriterien geprüft, ob eine unverschuldete Hilfebedürftigkeit auf Grund von Altersarmut besteht. Abhängig von der individuellen Bedürftigkeit jedes einzelnen erarbeiten wir Formen der finanziellen Zuwendung, die eine nachhaltige Verbesserung der Lebensqualität zum Ziel hat.

Der Bundesverband Initiative 50Plus hilft, das soziale Netz dort zu ergänzen, wo öffentliche Hilfen nicht mehr greifen. Das bedeutet aber auch, es werden keine Zuwendungen geleistet, die bei bedürftigen Personen zu einer Kürzung öffentlicher Mittel wie etwa Sozialhilfe, Pflege- oder Blindengeld führen.

Der Spender kann – falls er es wünscht – regelmäßig eine Rückmeldung über den konkreten Verbleib seiner gespendeten Gelder erhalten.

BLL: Was beinhaltet das Projekt Not-Hilfe 50 Plus – Generationenhilfe?

Schmidt-Dahlberg: Der Bundesverband Initiative 50Plus hat das Projekt Not-Hilfe 50Plus – Generationenhilfe initiiert, um der zunehmenden Verarmung älterer Mitbürgerinnen und Mitbürger entgegenzuwirken. Dies geschieht durch den Aufbau eines unterstützenden Netzwerkes mit dem Ziel der Bereitstellung von Spendengeldern in einem Nothilfe-Fonds. Im Gegensatz zum Generationenvertrag, bei dem es sich um einen Solidarvertrag zwischen zwei Generationen handelt, soll bei der „Not-Hilfe 50Plus – Generationenhilfe“ eine Patenschaft zwischen den Mitgliedern derselben Generation geschlossen werden.

Die Altersarmut ist nicht nur eine Erscheinung, die die Generation 50Plus als Unbeteiligte trifft, sondern sie wurde auch durch diese Generation mit verursacht. Ein grundlegendes Problem ist darin zu sehen, dass immer weniger junge Menschen immer mehr älteren gegenüberstehen. Eine Wirtschaftspolitik, die seit Beginn der 80er Jahre zu langjährigen Arbeitslosenzahlen in Millionenhöhe beigetragen hat, fällt in die Verantwortung der Generation die jetzt auch von den Negativfolgen getroffen ist. Eine mangelhafte Familienpolitik, hat gerade bei den Frauen dazu geführt, dass sie teilweise unter dem Existenzminimum leben müssen. Rentenanwartschaften während der Kindererziehung oder Pflege sind meist geringer als bei Beibehaltung der Erwerbstätigkeit. Zudem ist die Erwerbsbiographie unterbrochen und damit möglicherweise auch der Sprung auf der Karriereleiter.

Die Zunahme von niedrig bezahlter Beschäftigung führt ebenfalls verstärkt zu Altersarmut. Der Personenkreis der Geringverdiener zahlt nur geringe Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung ein und verfügt meist auch nicht über ausreichende finanzielle Mittel für eine ergänzende private oder betriebliche Altersvorsorge.

Dies sind mehr als ausreichend Gründe, nicht nur auf staatliche Lösungskonzepte zu setzen sondern parallel dazu privat-initiierte individuelle Strategien zur Unterstützung unserer älteren in Not geratenen Mitmenschen anzubieten.

Die „Initiative Not-Hilfe 50Plus – Generationenhilfe“ soll darüber hinaus auch ein Zeichen dahingehend setzen, dass die Generation 50Plus die Lösung der sozialen Ungerechtigkeiten nicht ausschließlich bei der jüngeren Generation belassen will. Sie kann und will noch kreativ und konstruktiv an der Mitgestaltung eines gesellschaftlich verantwortungsvollen Miteinanders beteiligt sein.

Die Spendenbereitschaft ist in unserem Land sehr groß und orientiert sich nicht nur an den größeren Verbänden. Zunehmend werden auch kleinere Initiativen unterstützt. Mehr als die Hälfte der deutschen Spendengelder werden von älteren Menschen über 60 Jahren gegeben. Dabei ist es den Spendenden wichtig, dass das Geld auch dort ankommt, wofür es von ihnen vorgesehen wurde.

BLL: In Ihrem Programm Initiative Arbeit 50 Plus setzen Sie sich für die Erwerbstätigkeit der älteren Arbeitnehmer ein, welche Punkte dazu können Sie unseren Lesern nennen?

Schmidt-Dahlberg: Schon 2030 wird die Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland um 20 % gesunken sein. Das hat gravierende Auswirkungen auf die Volkswirtschaft, die Leistungsfähigkeit der Betriebe – vor allem der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) und die persönliche Perspektive jedes einzelnen Mitarbeiters. Politik und Wirtschaft erkennen immer mehr die Herausforderungen, vor denen wir alle stehen.

Ältere Menschen gewinnen daher zunehmend an Bedeutung auf dem Arbeitsmarkt. Die Zahl der Arbeitslosen im Alter von über 55 Jahren hat sich in den vergangenen zehn Jahren nahezu halbiert und die Zahl älterer Erwerbstätiger im Alter von 55 bis unter 65 Jahren ist von 2005 bis 2009 um mehr als eine Million angestiegen. Prognostiziert werden 13 Millionen ältere Erwerbstätige im Jahr 2025.

Künftig muss mit Blick auf zurückgehende Zahlen der Auszubildenden und Studierenden noch stärker als bisher das Augenmerk auf die Integration Älterer in den Arbeitsmarkt gelegt werden. Ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tragen mit ihren Stärken wesentlich zum betriebswirtschaftlichen Erfolg der Unternehmen bei. Sie sind leistungsfähig und motiviert. Sie verfügen über langjährig erworbene fachliche Kompetenzen, ein umfassendes Erfahrungswissen und hohe Sozialkompetenz.

BLL: Was kann gegen die Verarmung älterer Menschen getan werden?

Schmidt-Dahlberg: Leider ist in vielen Fällen „der Zug bereits abgefahren“. Die Politik der letzten Jahrzehnte und der Irrglaube, der Staat würde es schon „richten“ hat dazu geführt, dass immer mehr ältere Menschen, vor allem Frauen, vor allem Alleinstehende, in der Hartz-IV-Falle gefangen sind. Das ist grausam, aber in diesen Fällen wohl nicht mehr zu ändern. Alle anderen müssen wissen, dass der Staat, also wir alle, nicht mehr in der geregelten Solidargesellschaft leben, die für alle genug bietet. Jeder muss in dem ihm möglichen Maß selbst vorsorgen. Und jeder muß den Einfluß auf die Politiker in seinem Umfeld nehmen der nötig ist, um diese dazu zu bewegen, mehr Gerechtigkeit walten zu lassen. Wir vom Bundesverband Initiative 50Plus versuchen, mit dem Sozialwerk „Not-Hilfe 50Plus – Generationenhilfe“ zu helfen, wo wir können.

BLL: Was kann die Generation 50 plus beitragen um nicht die sozialen Ungerechtigkeiten der jüngeren Generation zu überlassen?

Schmidt-Dahlberg: Von den mehr als 34 Mio Menschen in Deutschland, die älter als 50 Jahre sind, gelten 8,5 Mio als überdurchschnittlich gut gestellt. Da sollte es möglich sein, Spendenbereitschaft und bürgerschaftliches Engagement in Hilfskanäle für die eigene Generation im eigenen Land zu lenken.

BLL: Wie können sich ältere Menschen für einen wohlverdienten Lebensabend absichern?

Schmidt-Dahlberg: Viele Angehörige der Generation besitzen eigenes Immobilien-Eigentum und glauben daher, im Alter keine Mietkosten zu haben und gut abgesichert zu sein. Aufgrund der demografischen Entwicklung verzeichnen wir aber einen massiven Rückgang der Bevölkerung und eine Ost-West- und Nord-Süd-Wanderung. Auch steigen die Nebenkosten der Immobilien, denken Sie nur an die explodierenden Energiekosten. Wenn man dann noch die Erfahrungen mit vermeintlich sicheren Anlagen wie Staatsanleihen dazu nimmt wird schnell klar, wie wichtig guter Rat ist. Und guter Rat in Finanz-Fragen ist immer geprägt von den Faktoren Unabhängigkeit, Ehrlichkeit und Langfristigkeit.

BLL: Wie sieht angemessener Wohnraum für Menschen über 50 aus, in Bezug auf Infrastruktur und Dienstleistungen?

Schmidt-Dahlberg: In vielen deutschen Innenstädten sehen wir eine zunehmende Verödung. Die Pleite von Schlecker und die Schließung von 2.200 Filialen führte ja augenfällig dazu, dass in vielen kleinen Gemeinden auch noch der letzte Laden geschlossen hat. Also, das Thema Infrastruktur gewinnt im Alter, wenn die natürliche Mobilität eingeschränkt sein wird, an Bedeutung. Und für die Wohnung, das Haus gilt: Barrierefreiheit fängt im Kleinen an: Treppen, Stufen, Schwellen, Fenstergrößen, Pflegbarkeit des Gartens… Viele Kleinigkeiten können sich später im Leben zu einer großen Last summieren. Auf all diese Fragen kann man sich aber strategisch vorbereiten und vielleicht sogar schon beim Kauf oder bei der Anmietung überlegen, wie man sich in dem Heim fühlen wird, wenn die natürliche Bewegungsmöglichkeit eingeschränkt ist.

BLL: Zum Schluss noch eine persönliche Frage.

Was sind Ihre privaten und beruflichen Wünsche und Ziele für die Zukunft?

Schmidt-Dahlberg: Grundsätzlich geht es ja darum, dass der Staat nicht die Probleme für „Jedermann“ lösen kann.  Beruflich möchte ich sagen, es sollte jedem überlassen sein, ob wie lange er einen Job oder Amt ausfüllen möchte, so weit er es auch gesundheitlich darstellen kann!   Für die Zukunft wünsche ich mir mehr Offenheit zwischen den Generationen, denn mit Wunschparolen ist kein Staat zu machen d.h. die Erfahrungen der Alten sollten sich die Jungen zu Nutze machen, und dabei Ihre Bildung und Ausbildung nicht außer acht lassen.

Vielen Dank für das Interview.

 

 

 

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2 Kommentare

  1. Ein Interview mit einem nach wie vor hoch brisanten Thema, denn es zeichnet sich immer mehr ab, dass das aktuelle Rentensystem nicht mehr zeitgemäß ist.

  2. Wer nicht frühzeitig eine zusätzliche private Vorsorge betreibt kann später schnell in die Altersarmut geraten. Aber leider hat nicht jeder die Möglichkeit dieses zu tun, daher muss sich hier grundlegend etwas tun, damit jeder ein Recht auf eine gewisse Absicherung im Leben hat.

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