Kuratorin Sabine Fellner erzählt über die Ausstellung „Die Kraft des Alters!

©BLL

Die Ausstellung „Die Kraft des Alters“ war bis zum 4. März 2018 im Unteren Belvedere zu sehen. Wir sprachen mit der Kuratorin über ihr Motiv für diese Ausstellung.

BLL: Die Ausstellung „Die Kraft des Alters“ startete am 17. November und ging bis 4. März 2018. Wie war die bisherige Resonanz und was meinen die Besucher über die Ausstellung?

Fellner: Das Interesse an der Ausstellung ist sehr groß, sie wird von älteren Menschen aber auch von Jugendlichen besucht. Viele Besucherinnen und Besucher meinen, dass die Ausstellung ein positives Gefühl bei ihnen hinterlassen hätte. Das freut mich, denn das war die Intention, dem vorwiegend negativen Bild vom Alter, das uns in der Öffentlichkeit vermittelt wird, etwas entgegen zu setzten

BLL: Wie sind Sie eigentlich auf dieses Thema gekommen und wie lange haben die Vorbereitungen gedauert?

Fellner: Die Vorbereitung zu der Ausstellung haben rund zwei Jahre in Anspruch genommen. Es muss zunächst ein Konzept erarbeitet und es müssen entsprechende Werke ausgesucht werden und es muss vor allem rechtzeitig bei anderen Museen um Leihgaben angefragt werden.

Wir erleben in Europa und den USA einen Trend den man kritisch hinterfragen muss. Alter wird gegenwärtig nicht als natürlicher Lebensabschnitt wie Kindheit, Jugend und Erwachsenenalter erfasst. Begriffe wie „Anti-Aging“ beschreiben das Altern vielmehr als etwas Pathologisches, das therapiert werden muss. In unserer Gesellschaft werden alte Menschen weitgehend marginalisiert und an den Rand gedrängt. Es herrscht ein Diktat des Jugendkultes, das Alter nur als biologischer Prozess wahrnimmt.

Alter ist aber auch eine kulturelle Konstruktion. Um 1900 war Jugendlichkeit vor allem für Männer kein erstrebenswertes Kriterium. Im Gegenteil, Männer konnten erst mit einem gewissen Alter eine gesellschaftliche Stellung erreichen. Daher war es ein Anliegen, sich älter zu machen, mit Bart und notfalls auch mit Brille. Heute sind ältere Männer bestrebt, jung auszusehen und treiben viel Aufwand, um dem herrschenden Rollenbild gerecht zu werden.

BLL: Wer und Was ist Ihrer Meinung nach daran schuld das sich Frauen und Männer in ihrem Lebensabschnitt ab 60 Jahren länger jung „fühlen“ wollen und dafür richtig kämpfen?

Fellner: Es ist kein Lebensabschnitt in unserer Gesellschaft mit derart kontroversen Zuschreibungen besetzt wie das Alter. Auf der einen Seite wirbt die Werbeindustrie mit neuen Begriffen wie Woopies, Best Agers oder Medioren für eine wachsende Käuferschicht ab 60. Die Filmindustrie führt uns rüstige Junggebliebene vor und auch die Kosmetikindustrie hält mit Anti-Aging-Produkten den vorherrschenden Jugendkult am Leben. Andererseits zählen Arbeitssuchende ab 50 auf dem Arbeitsmarkt als Problemgruppe.

Nehmen Sie als Beispiel das Filmgeschäft, wo ältere Filmschauspielerinnen ab 55 höchstens die Rolle der Oma übernehmen dürfen und nur einige wenige auch andere Rollen bekommen. Generaldirektorin Frau Stella Rollig hat schon bei der Ausstellungseröffnung gesagt „Es ist eine der großen Fragen unserer Zeit, wie wir mit dem Älterwerden umgehen, zumal die Lebenserwartung deutlich zunimmt. Statt Wertschätzung für das Alter besteht reale Diskriminierung und Ausgrenzung.“

Tenneson Christine Lee

BLL: Als Kuratorin, die sich intensiv mit dem Thema Älterwerden beschäftigt hat, muss ich Sie nun fragen: Was sind die Stärken im Alter?

Fellner: Wir sollten uns in diesem Lebensabschnitt nicht von der Filmindustrie oder der Werbung ein falsches Klischee aufzwingen lassen. Alter hat eigene Kriterien, Alter steht tatsächlich auch für Erfahrung, Lebensweisheit, Macht, Kontemplation, Würde, Lebenslust, Triumph über gesellschaftliche Konventionen und Produktivität.

Künstler erkennen viel früher Trends und gesellschaftliche Veränderungen, die sie auch in ihren Arbeiten abbilden, sie zeigen uns auch jene Seiten des Alters, die der aktuelle Mainstream nicht vermittelt.

BLL: Was soll und kann Ihrer Meinung nach die Ausstellung bewirken?

Fellner: Die Ausstellung soll dazu beitragen, neue Vorbilder für das Altern zu liefern, Vorbilder, die uns fehlen. Sie soll eine Neudefinition der Lebensphasen anbieten und eine „Altersbejahung“, die die Vorteile der zunehmenden Lebenserwartung aufzeigt. Wie die Ausstellung zeigt, gelingt es Künstlerinnen und Künstler Chancen wie auch Grenzen des Alterns realistisch differenziert wahrzunehmen, und jene Qualitäten herauszufiltern, die speziell das Alter besitzt. Sie zeigen uns Bilder der Lebensfreude, aber auch der Muße und Erinnerung. Arbeiten, wie etwa der Film „Omsch“ von Edgar Honetschläger, führen uns vor, wie ein respektvolles Miteinander der Generationen lebbar ist.

BLL: Bei allem Respekt für Ihre positiv gestimmten Worte, ist das Leben im Alter nicht doch oftmals schwieriger und eine Mischung aus Hoffnungslosigkeit, Einsamkeit und Langeweile?

Fellner: Durchaus nicht. In der Ausstellung sind einige Künstlerinnen und Künstler vertreten, die uns zeigen, dass man bis ins hohe Alter produktiv sein kann. So etwa Arnulf Rainer, Daniel Spoerri, Joan Semmel oder Margot Pilz, die jenseits der 80 noch arbeiten. Die Tanzproduktion von Pina Bausch „Kontakthof mit Damen und Herrn ab 65“ zeigt uns auch, dass Lebensfreude keine Frage des Alters ist. Und Einsamkeit, die zwangsläufig mit zunehmenden Jahren ein Thema wird, weil sich der Lebensraum verengt und die sozialen Kontakte weniger werden, muss nicht unbedingt immer als negativ empfunden werden. Mit sich alleine zu sein kann auch den Raum für eine neue Sicht auf die Welt eröffnen. Es bietet die Möglichkeit, sich mit den eigenen Erinnerungen auseinanderzusetzen und Glück aus scheinbar Unspektakulärem, Alltäglichem zu ziehen.

BLL: Vielen Dank für das sehr offene Gespräch und würden Sie uns noch verraten an welchem Ausstellungsprojekt Sie nun arbeiten.

Fellner: Ich arbeite im Moment an einer Ausstellung, die sich mit dem Schaffen von österreichischen Künstlerinnen von 1900 bis 1938 beschäftigt. Sie wird im Jahr 2019 im Belvedere zu sehen sein. Ein spannendes Thema, dass mir viel Freude macht, aber intensive Arbeit erfordert.

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