
Nationalratsbeschluss: Die Aliquotierung der ersten Pensionserhöhung für zwei Jahre wird ausgesetzt.
Die Abgeordneten nutzten eine auf der Tagesordnung stehende Sozialversicherungsnovelle dazu, um das Vorhaben rasch auf den Weg zu bringen. Durch die hohe Inflation habe die Aliquotierungsregel besonders negative Auswirkungen auf die Pensionshöhe, wird der Schritt von ÖVP und Grünen begründet. Ein weitergehender Abänderungsantrag der SPÖ und ein Entschließungsantrag der FPÖ fanden hingegen keine Mehrheit.
Ursprünglich war die Sozialversicherungsnovelle von den Koalitionsparteien eingebracht worden, um einen Gesetzesbeschluss vom Herbst vergangenen Jahres zu reparieren. Rund 200.000 Mindestpensionist*innen werden demnach im Juni eine Nachzahlung zum im März überwiesenen Teuerungsausgleich erhalten. Konkret wird die Einmalzahlung auf insgesamt 333 € aufgestockt.
Massive Kritik an der Novelle kommt von den NEOS: Nach Meinung von Abgeordnetem Gerald Loacker wird im Pensionssystem zu wenig auf eine notwendige Balance zwischen Leistungsbezieher*innen und Beitragszahler*innen geachtet.
Anlass für die Einbringung der Sozialversicherungsnovelle war der Umstand, dass Bezieher*innen einer Ausgleichzulage im März nur einen gekürzten Teuerungsausgleich erhalten haben. Als Berechnungsgrundlage für die im Herbst beschlossene Einmalzahlung im Ausmaß von 30 % der Gesamtpension wurde nämlich nicht die Höhe der Mindestpension von 1.110 €, sondern die geringere Eigenpension herangezogen. Nun soll die Differenz auf 333 € Ende Juni nachgezahlt werden. Man wolle ein Versehen beseitigen, das so nicht beabsichtigt gewesen sei, betonten Michael Hammer (ÖVP) und Markus Koza (Grüne) in der Debatte. Koza entschuldigte sich bei allen Betroffenen, für die es durch den Fehler zu Unsicherheiten gekommen sei.
Die Bestimmungen zum Aussetzen der Pensionsaliquotierung wurden mit Abänderungsantrag in die Novelle eingebaut
Demnach ist die Aliquotierungsregel in den Kalenderjahren 2024 und 2025 nicht anzuwenden. Wer heuer bzw. im nächsten Jahr in Pension geht, wird damit unabhängig vom genauen Zeitpunkt des Pensionsantritts schon im darauffolgenden Jahr die volle Inflationsabgeltung erhalten. Nach den geltenden Bestimmungen hängt das Ausmaß der ersten Pensionserhöhung davon ab, in welchem Monat man im Jahr zuvor die Pension angetreten hat.
Für Grünen-Sozialsprecher Koza handelt es sich um eine „notwendige und pragmatische Lösung“. Was nach den zwei Jahren komme, sei Sache der folgenden Koalition. ÖVP-Abgeordneter Hammer erläuterte, dass rund 100.000 Pensionsbezieher*innen von der Maßnahme profitieren werden. Man werde die Pensionist*innen nicht im Stich lassen, so Hammer.
SPÖ und FPÖ halten Aussetzen der Aliquotierungsregelung für unzureichend
Das sieht SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch – wie fast immer – anders. Man lasse mit der vorliegenden Regelung alle Personen im Stich, die im Jahr 2022 in Pension gegangen seien. Auch sie würden unter der Teuerung leiden. Muchitsch kritisierte zudem, dass die Aliquotierung nicht abgeschafft, sondern nur ausgesetzt wird. Um der Koalition „die Chance zu geben“, diesen „Fehler“ auszubessern, brachte Muchitsch einen Abänderungsantrag ein, der bei der Abstimmung jedoch keine Mehrheit fand. Er hätte vorgesehen, die Aliquotierungsregelung rückwirkend mit 1. Jänner 2022 und dauerhaft außer Kraft zu setzen.
Verena Nussbaum (SPÖ) ging insbesondere auf die Situation der Frauen ein, die besonders armutsbetroffen seien. Durch die beschlossene Anhebung des Frauenpensionsalters würden die Pensionsantritte von Frauen in den kommenden Jahren vermehrt in die zweite Jahreshälfte fallen. Das verstärke die Ungerechtigkeit mit Blick auf die Aliquotierung der ersten Pensionsanpassung, so Nussbaum. Sie will daher an der von der SPÖ angekündigten Klage beim Verfassungsgerichtshof festhalten.
Seitens der FPÖ äußerte Peter Wurm Zustimmung zum Koalitionsvorschlag, die Aliquotierung der Pensionsanpassung für zwei Jahre auszusetzen. Die Änderung sei für die betroffenen Pensionist:innen „besser als nichts“. Man könne in Zeiten hoher Inflation nicht einfach zuschauen. Wurm bezeichnete die Regelung aber auch als „stümperhaft“ und forderte in einem Entschließungsantrag weitergehende Maßnahmen. So drängten die Freiheitlichen etwa darauf, für bisher von der Aliquotierung betroffene Pensionsbezieher*innen einen finanziellen Ausgleich zu schaffen sowie Pensionskonten umgehend an die Inflation anzupassen. Die verzögerte Wertsicherung des Pensionskontos führe zu signifikanten finanziellen Einbußen bei Personen, die heuer oder im nächsten Jahr ihre Pension antreten, argumentiert Wurm. FPÖ-Abgeordneter Werner Herbert wertete es als positiv, dass im Koalitionsantrag nun auch die Beamt*innen mit berücksichtigt seien.
NEOS gegen weitere Verbesserungen für Pensionist*innen
Gegen Verbesserungen für Pensionst*innen sprach sich NEOS-Abgeordneter Gerald Loacker aus. Seine Fraktion sei die einzige mit dem wenig populären Standpunkt, dass es jetzt nicht an der Zeit für Verbesserungen sei. Es gelte, auf die Balance zwischen Leistungsbezieher*innen und Beitragszahler*innen zu achten. Den falschen Anreiz, früher in Pension zu gehen,*hätten die Regierungsparteien mit der Aliquotierung der Pensionsanpassung selbst beschlossen. Nun würden sie bloß noch mehr Geld auf das Problem werfen. Loacker vermutete hinter der Maßnahme einen Zusammenhang damit, dass Pensionist*innen die größte Wähler*innengruppe seien.
Rauch: Maßnahme ist „fair und gerechtfertigt“
In Zeiten hoher Inflation käme es zu einer massiven Benachteiligung, wenn die erste Pensionsanpassung nach Eintritt in die Pension nur aliquotiert erfolge, sagte Sozialminister Johannes Rauch. Diese Benachteiligung beseitige man jetzt, indem man die Aliquotierung für zwei Jahre aussetze. Rauch bezeichnete die Maßnahme als „fair und gerechtfertigt“.
ots
Hinterlasse jetzt einen Kommentar